Religionen

Religionen, alle, sind in der Essenz immer ein innerer Ort, an dem Menschen ihre eigene Geschichte betrachten können. Es ist oft schwer, weil Menschen nicht nur ihre Augen wirklich öffnen möchten. Sie wollen ihr Herz öffnen. Ich persönlich bin aus beruflichen Gründen oft in Kirchen, in buddhistischen Häusern, in einem Berliner Kloster, in unterschiedlichen christlichen Gemeinden. Ich war auf dem islamischen Friedhof, auf den jüdischen Friedhöfen, natürlich auf evangelischen und katholischen Friedhöfen. All diese Orte sind Orte der absolut ruhigen Begegnung. Manchmal, wenn alle Trauergäste gegangen sind, bleibe ich auf einem Friedhof. Ich treibe mich sozusagen herum. Fixierte Gedanken lösen sich auf; sie treiben ebenfalls. Ein innerer Ort öffnet sich und dann laufen die Geschichten vor mir - wie in einem Film. Kürzlich stand ich vor einem Denkmal. Ein tolles Wort, wie ich finde. Ich sollte bei diesem Denkmal an den Krieg denken. Ein dummes Wort, wie ich finde. Dann sah ich meine Kindheit und Jugend, nicht den Kalten Krieg. Ich dachte über die Alliierten nach. America first. Ich war wirklich froh und dankbar, dass Rassenhass ausgerottet werden sollte. Ich war irritiert, dass Menschen in Mississippi in Flüsse geworfen wurden. Ich war froh, dass Hakenkreuze fast verschwunden waren. Ich war irritiert, dass es in Amerika einen Ku Klux Klan gab. Ich war beruhigt, dass das Tragen von Waffen unter Strafe gestellt wurde. Ich war irritiert, dass auch weiße Bürgerrechtler in Mississippi erschossen wurden, dass afroamerikanische Bürgerrechtler an Bäumen erhängt wurden. Einmal stand ich auf einem Friedhofsweg, der mich zu Nonnengräbern führte. Und dann wusste ich, dass Rassismus im politischen System steckt. Ich wunderte mich, dass sich unglaublich viele Menschen in der Gesellschaft ausgerechnet diese politische "Jacke" anziehen, die immer nur gewendet wird - nach links oder rechts. Das macht sie zur Zwangsjacke. Was wünschen sich freie Menschen tatsächlich, wenn sie ihren inneren Ort gefunden haben und rausschauen? Bürgerrechtler in Gefängnissen? Scharfschützen, die Präsidenten töten? Erhängte Menschen an Bäumen? Brennende Häuser? Leichen in Flüssen? Ausgestorbene Städte? Ich glaube, eine unmanipulierte Gesellschaft fordert keinen Rassismus. Menschen wurden immer von politischen Systemen manipuliert. Das funktioniert sogar über die Werbung, bis Menschen ihren inneren Ort, quasi den Beobachtungsposten verloren haben: "Du darfst Dein Smartphone niemals vernachlässigen." Das ist nicht die ureigene Idee eines Teenagers. "Du musst den Arbeitsplan für Deine Mitarbeiter über WhatsApp regeln." Das ist nicht die ureigene Idee eines Shopbesitzers. "Nur ein Antidemokrat geht nicht wählen." Das ist definitiv nicht die ureigene Idee eines Nichtwählers. Religionen können instrumentalisiert werden. Sie selbst stehen Ewigkeiten unmanipulierbar in Zeit und Raum.