Der Mensch und Maschine
23/02/21
Der ausgesaugte Mensch von heute wird nicht mehr in die nahe Zukunft kommen. Nachdem viele kluge Menschenskinder, alt und jung, Jahre darüber geredet haben, welche Maschinen welche Aufgaben übernehmen werden, welche Maschinen wie nun genau ticken und zu bedienen sind, wissen ausgesaugte und ausgenommene Menschen heute nicht mehr, wer sie sind, wie sie sich fühlen, welche Ziele und Träume sie haben. Sie haben über Jahre Betriebsanleitungen gelesen, Knöpfe gedrückt, Bildschirme geputzt, Apps geladen und bemängelt. Sie haben Sternchen gedrückt. Sie haben Nachrichten geschrieben, die immer auffälliger, aggressiver und gestörter wurden. Das ist logisch, denn gehorsam schrieben sie Kommentare. Ihre eigenen Geschichten können sie nicht mehr formulieren. So haben sie gelernt; jene Menschen zu hassen, die am anderen Ende des Bildschirmes saßen - ebenso unfähig, ebenso fantasielos. Sie sind nie in einen Raum gelangt. Ungewollt haben sie Zeit und Ort einfrieren lassen. Das Raum-Zeit-Kontinuum bezeichnet die gemeinsame Darstellung des dreidimensionalen Raums und der eindimensionalen Zeit in einer vierdimensionalen mathematischen Struktur. Journalisten sagen schlicht und simpel: "Die Gesellschaft ist gespalten." - was so nicht stimmt. Es handelt sich um Risse im Raum-Zeit-Kontinuum. Der Mensch von morgen muss schon heute ein Multitalent sein. Er muss die Formate extrem schnell ändern können. Er muss Fachsprachen sprechen. Er muss viel Fantasie haben. Menschen ohne Fantasie kleben hirnlos an einem Bildschirm. Sie werden ausgesaugt. Das erklärt die Abstumpfung. Um in die virtuelle Welt zu gelangen, muss man sich komplett auflösen und fließen. Danach muss man sich in der realen Welt - wie vorher - zusammensetzen. Und da hapert es bei den meisten Menschen. Menschen, die in der vituellen Welt arbeiten und leben, sind in der realen Welt meist schräg und fehlerhaft zusammengesetzt. Meist schlafen sie tagsüber. Sie befinden sich in einem Jetlag. Die Kanzlerin zum Beispiel simst, während andere Politiker demokratisch debattieren. Sie kann die Formate nicht mehr wechseln. Und darum geht es in der Zukunft. Was Bestatter zufälligerweise täglich trainieren, muss der Mensch, der in der Zukunft gesund ankommen will, lernen. Der Journalist Markus Lanz zum Beispiel ist schon heute gestrig. Seine ZDF-Hausschuhe haben nie eine Straße oder einen Datenhighway gesehen. Er kann die Formate nicht ändern. Trauernde können das. Sie gehen vom Diesseits ins Jenseits - und wieder zurück. Das ist eine Art Gottesgeschenk in einem Todesfall. Das sichtbar begehbare Raum-Zeit-Kontinuum. Markus Lanz ist nur verkörpert. Er verkörpert das ZDF. Mehr nicht. Der Journalist der Zukunft muss die Formate ändern können. Er muss sich verflüssigen und er muss sich exakt zusammensetzen können. Andernfalls kann er die Risse, die durch eine Gesellschaft gehen, nicht finden.