Die Politik ist tot
09/09/24
Die Politik und der Politikbetrieb wurde zu Grabe getragen, weil Menschen, die nur noch Politiker spielen, keine politischen Expertisen, kaum politische Erfolge vorweisen können. Heute sehe ich ein Foto in der ZEIT. Dokumentiert wird ein politisches Treffen im Hans-Otto-Theater in Potsdam. Der Tagesspiegel und die Potsdamer Neuesten Nachrichten haben politische Gäste geladen. Ein Streitgespräch zur Landtagswahl in Brandenburg. Auf dem Foto sehe ich eine rein männliche Trauergesellschaft. Männer falten ihre Hände, sie geben die betenden Hände von Dürer. Ein schwarzes Quotenschaf bohrt den Zeigefinger fast in seine Nase. Die Herren tragen feine und klassische Lederschuhe. Der Vertreter der Grünen trägt Jeans und Turnschuhe. Er sieht wie ein desillusionierter Mann aus, der seinen Anzug vermisst, aber den inneren Zwang verspürt, Joschka Fischer imitieren zu müssen. Die Moderatorin wirkt wie eine Pastorentochter. Zur Bestattung trägt sie ein schwarzes Kleidchen, das ein Beffchen vertragen könnte. Ihre Turnschuhe geben ihr eine Expertise. Der legendäre Chuck Taylor All Star von Converse. Der Schuh, mit dem alles begann! Ich muss den Artikel nicht lesen. Ich überfliege quer. Ein Satz hätte den ganzen Artikel zum Pulitzer verhelfen können: Der Regierungschef, Herr Woidke, wird zurücktreten, falls die AfD in Brandenburg stärkste Kraft wird. Das Foto spiegelt genau diese theatralische Selbstherrlichkeit. Die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem Eingestuften kommen - und die SPD tritt zurück! Das schlägt dem politischen Fass den Boden aus! Das ist die narzisstische und dummdreiste Haltung der overrated Superstar Partei Deutschland. Die Polis (wir alle) hat theatralische Kleingeister gewählt, also keine standhaften Politiker, also keine Experten, also keine Antifaschisten. Wir haben Hasen gefüttert, die ins Gebüsch hoppeln, wenn die Rechtsextremen kommen. Und die ZEIT möchte keinen Pulitzer. Die Zeit hat es nicht mehr nötig. Sie möchten nicht an die Wahrheit kommen. Sie möchten in der Sonne schlafen, während Menschen Sorgen haben. Die Gräfin würde sich im Grabe herumdrehen. Ihr Buch >Um der Ehre willen< ist ein Muss in jedem Bücherregal. Die ZEIT ruht sich aus. Hey. Wir haben für immer den Marion-Dönhoff-Preis, der für internationale Verständigung vergeben wird. Wir liegen in der Sonne. Demnächst wird die ZEIT sicher auch über Sonnencreme schreiben. So what - chill mal. Schon im Schreiben erkenne ich, wie diese elitär verlogene Trauergesellschaft am "Krankenbett" steht und überlegt: Sollen wir die Maschinen abstellen lassen? Dann haben wir Ruhe. Und schließlich macht das ein Arzt. Dem können wir die Schuld in die Schuhe schieben. Die Migration macht uns Patienten krank. Bei diesem schlechten und schmierigen Theater erwachen selbst Totgesagte, die sich die Fremdbeatmung aus dem Gesicht reißen und die Kanülen aus ihren Armen ziehen müssen. Oh….der AfD Vertreter verlässt das Theater. Abgang - Vorhang. Er kam nicht oft genug zu Wort. Er fühlt sich wie ein Ornament. Demnächst werden wir unsere Vertreter sicher in Schlafanzügen sehen, denen wir danken müssen, dass sie den Weg aus ihren Betten gefunden haben, während wir die Scherben der Rechten aufsammeln. Wo sind wir und wer sind wir tatsächlich? Das sind die einzigen Fragen, die man in einem Theater hätte stellen dürfen. Einer Pastorentochter kann man das sicher nicht abverlangen. Und nach genau diesen Kriterien werden Frauen in solche Talkrunden gesetzt: "Ungefährlich, harmlos, nicht relevant." Drop it!
Frauen in einer Zeitenwende
03/09/24
Menschen beobachten und fühlen, dass ein Land frühzeitig in die Wechseljahre kommt. Die Knochen und die Zähne knirschen. Der Rhythmus verändert sich. Die Rechten versuchen eine alte Dampflok maskulin auf Tour zu bringen. Der Zug ist überfüllt und Passagiere warten auf eine tollkühne Fahrt. Die Linken vergessen die Frauen. Das Erbstück Emanzipation kommt unter den Hammer. Der Mann ist der Mann; und die Frau ist ein Co-Mann. Auch die ausbuchstabiert sprachliche Erwähnung der Frau wird zum Genderwahn erklärt. Eine Seuche, die die edle Auslese in der westlichen Welt bedroht - wie der Rinderwahn - wie die Schweinepest - wie die Vogelgrippe. Barbara Schöneberger redet über ihre Oberweite, "die sie gerne und immer gezeigt hat". Eine Frau, die Talkshows moderiert und ein eigenes Magazin aufgestellt hat, redet beim Erfolgslieferanten über ihre Oberweite; und sie weiß, dass Frauen sich zeigen sollen. "Wir Frauen" sollen nicht mit den Pfunden geizen. Frau Schöneberger fühlte sich immer wie eine Chefin. Hätte die Redaktion von 3nach9 auch gleich inserieren können: "Wir suchen eine Moderatorin - eine gute Oberweite reicht uns vollkommen." ´Tatsächlich befindet sich Frau Schöneberger in der Zeitenwende. Sie steuert auf jene kuriosen Wechseljahre zu; und Ihre Oberweite merkt das natürlich nicht. In einer geistigen Trotzhaltung grenzt Frau Schöneberger auch religiöse Frauen aus. Das Programm der AfD läuft bei Bewusstlosen gut. Wir wollen bunt sein. Wir wollen im Bikini an Stränden liegen. Wir wollen keine Verschleierungen mehr. Wir wollen einfach rein sein. Wir wollen bewusstlose Schwule und Lesben, bewusstlose Muslime und bewusstlose Juden. Jede Bewusstwerdung birgt die Gefahr einer Seuche, die uns verunreinigt. Die Mitte des Landes bricht seit einiger Zeit auf. Junge Menschen verklagen unsere Regierung. Alte Menschen orientieren sich neu. Arbeitende Menschen erkennen die Begrenztheit ihres kostbaren Lebens, das sie nur ein einziges Mal leben können. Das ist bahnbrechend. Frau Schöneberger redet über ihre Oberweite, die sie gerne zeigt, weil sie einfach "Landeschefin" ist. Punkt. Sie hat recht! Atefe Kabiri stammt aus dem Iran. Ihr Lebensmittelpunkt ist in Dubai. Ihr Weg zur Friseurmeisterin war sicher nicht immer einfach. Heute bereist sie die Welt. Sie gibt MasterClasses - auch in Deutschland. Sie ist charmant, elegant, smart und extrem gebildet. Ihre Kreativität ist ein Geschenk des Himmels. Ihre Frisuren sind Kunstwerke. Auf Instagram hat sie 2,6 Millionen Follower. Eine Friseurmeisterin lässt Barbara Schöneberger weit hinter sich. Sie hat mehr Follower als die Alt-Kanzlerin Merkel, sogar mehr Follower als Julianne Moore. Sie liegt nur knapp hinter dem aktuellen Bundeskanzler. Atefe Kabiri überzeugt durch ihr Selbstbewusstsein. Ihre Religion stellt nicht sie in den Vordergrund. Ihre dezenten Kopfbedeckungen trägt sie nicht, weil sie eine Bewusstlose ist. Natürlich redet sie nicht über ihre Oberweite. Solche Stillosigkeiten erlauben sich nur die "Erlauchten" im edlen Westen; und so bekundet Barbara Schöneberger auf ihrem Instagram Account, dass sie gerne in Deutschland lebt, weil sie nur hier alles machen kann, was sie gerne möchte. Natürlich können Menschen in Deutschland alt werden, ohne je einen Reisepass beantragen zu müssen. Natürlich müssen wir in Deutschland nichts sinnvolles produzieren. Wir können einfach machen, was immer wir wollen. Wir müssen nur das Bewusstsein begraben. Und genau auf diesen Gräbern tanzen dann die strammen Rechten.
Die Beileidsbekundung auf Sand
26/08/24
Ich erkenne schlechte Politik daran, dass Politiker ihre Beileidsbekundungen auf Sand stellen. Hinterbliebene bleiben auch dann zerbrechliche Menschen, wenn ihre Familienmitglieder durch Terror ermordet wurden. Hier scheitern Politiker, weil immer ein Staatsversagen kaschiert werden muss. Akten verschwinden erst für 120 Jahre, dann für 30 Jahre. Ein Bauernopfer muss gefunden werden. Der Medienrummel entsteht. Ein oberstes Gericht wirkt ganz wach und emsig, immer den Tätern auf der Spur. Die Bezeichnung bekundet, dass es unterste Gerichte geben muss. Der Apparat wurde beschämt, nicht etwa die Toten und deren Familien. Opferentschädigungen müssen öffentlich, wie in einer Gewinnerlotterie angekündigt werden. Papa Staat schickt Geld mit der Trauerkarte. Er sagt: "Kauf Dir was Schönes. Mach mal Urlaub. Denk nicht mehr daran." Drei Täter sind gefunden. Zwei Täter haben sich das Leben genommen. Eine Täterin hat die Tat öffentlich bekannt gemacht. Auf der Flucht stimmte ihre Rolle der netten Maus nicht mehr. Sie rief bei der Polizei an. Die wusste mangels Vernetzung und Kontext von nichts. Ein Anwalt musste, wie ein Papa, die Täterin bestätigen. Erst dann wurden Behörden wach. Zehn Menschen wurden ermordet. Wichtig ist den Medien scheinbar, dass darunter auch eine Polizistin war, in ihrer Hierarchie auch unten. Sie soll den Migrationshintergrund der anderen neun Opfer säubern. Die obersten Budenbesitzer haben in Deutschland keinen Wert. Dönerbudenbesitzer gehören zu den untersten Budenbesitzern. Der Staatsapparat denkt auch im Jahr 2024 in Hierarchien. Und so kann er bis heute nicht im Kontext denken. Die Zschäpe war es! Die Zschäpe ist der NSU! Lebenslänglich! Die Denkmäler der zehn Toten werden besudelt, die Familien post mortem diffamiert. Come over it. Wir können nichts dagegen tun. Da musst Du durch! Der Hintergrund der Zschäpe soll nicht gefunden werden. Schlafende Hunde soll man nicht wecken. Das kinderpornografische Material - gefunden auf den Laptops der Täter - wird ignoriert. Da müssen Eltern einfach durch. Humane Herzmenschen, einer weltweiten Gesellschaft, sind Hinterbliebene. Fühlst Du dich getröstet? Künstler wollen trösten. Sie merken, dass Menschen Trost brauchen, dass sie selbst Trost suchen und brauchen. Nietzsche hatte sie verstanden. Er sagte: "Die Wahrheit ist häßlich. Wir haben die Kunst, damit wir nicht an der Wahrheit zugrunde gehen." Die Wahrheit ist, dass die Zschäpe ein Teil unserer Gesellschaft ist, auch dann, wenn sie für immer in einem deutschen Gefängnis sitzt und Tischtennis spielt. Die Zschäpe gab sich viele Namen, anders als die anderen beiden Täter. Ihre Mutter studierte in Bukarest. Ihr Vater stammte aus Rumänien. Als Jugendliche war sie in der linken Punkszene. Dann war sie rechts. Sicher hatte sie nur die Männer getauscht. Sie selbst nahm sich nicht das Leben. Sie stellte sich siegessicher den Behörden. Im Gerichtssaal sieht man eine Frau, die sich selbst schön findet. Ihr Haar streicht sie oft hinters Ohr. Das Hässliche will in der völlig legitimen Verachtung unbedingt schön wirken. Sie ist Objekt. So funktionierte das sicher seit Jahren gut. Ihre teuren Anwälte wurden finanziert. Sie hat sicher keine Prozesskostenhilfe beantragt. Sie hat keinen Mund. Sie hat keine Lippen. Die Anwälte werden ihr gesagt haben: "Halt bloß im Gerichtssaal den Mund. Dein verquirlter Dünnschiss kommt jetzt, im Rampenlicht, gar nicht an." Die Zschäpe ist Teil unserer Gesellschaft. Nach zehn Jahren Tischtennis wird sie entlassen. Sogenannte Ökonomen rechnen dann die unverhältnismäßigen Gefängniskosten auf. Sie wird sich sicher gut führen. Was machen humane Menschen also, wenn eine Zschäpe eine Wohnung kauft und in einem Haus wohnt. Sie bastelt sich einen Mundlos und einen Böhnhardt. Sie selbst hat keine Persönlichkeit. Demzufolge hat sie keine eigene Sprache. Ohne Sprache hat sie keine eigene Identität. Also muss sie sich auf eine nationale Identität stützen, die sie nicht hat. Fühlst Du Dich getröstet? Ich nicht.
Das traurige Mädchen
22/08/24
Am Freitag, dem 13. November 2015 starben in Paris Menschen. Geplante Attentate klingt sauber und gebügelt, klingt nach "Wir waren es nicht. Wir sind die Guten und anständigen Menschen." 130 Menschen starben und 683 wurden verletzt. Ich finde ein schmutziges Massaker, das aus der kollektiven Erinnerungsschablone gefallen ist. Es schwimmt im virtuellen Meer, zwischen Plastikbechern, blutigen Shirts, Bierflaschen, Schuhen, Westen, Patronen und Teilen von Scheinwerfern. Im virtuellen Meer ist die Vergangenheit immer Gegenwart. Menschen tanzen im vollen Bataclan-Theater. Eine amerikanische Metal-Band gibt ein Konzert. Es ist dunkel im Raum, nur die Bühne ist beleuchtet. Das Düstere wird rockig abgefeiert. Die Besucher können vertrauensvoll in der Hölle springen und tanzen. Sie müssen keine Angst haben. Schließlich sind es nur Musiktexte. Die Hölle wollen sie nie wirklich. Es ist nur ein Spiel. Es vertreibt die Zeit. Die Dämonen werden nicht wirklich gerufen. Sie werden nur zum Spaß beschworen. Menschen wollen einfach an einem Freitag gepflegt die "Sau" rauslassen. Sie arbeiten. Sie sind gestresst. Sie sind arbeitslos. Sie sind gestresst. Es tut niemandem weh. Die Stimmung im Bataclan ist toll. Die Stimmung ist enthemmt. Die Verklemmungen lösen sich im Tanz, in der Lautstärke. Das verbindet gute Menschen. Der Pogo-Schubser, das verschüttete Bier, der versehentliche Ellenbogen im Rücken gehört kameradschaftlich zum Tanz. Kein Mensch will die Formel sprechen, die den Devil wirklich erscheinen lässt. Die Lautstärke der Band übertönt endlich den alltäglichen Stress, den Terror im Kopf. Die amerikanische Metal-Band vernichtet die bösen Energien. Sie bekämpft das Böse mit bösen Texten, so, wie man Feuer mit Feuer bekämpfen kann. Die Band ist laut. Sie muss laut sein. Endlich kann man laut sein und schreien. Und dann betritt das Böse den Raum. Schüsse fallen. Viele Schüsse fallen. Wie ein Häschen schaut der Gitarrist, ein Bär von Mann, irritiert in die Dunkelheit, als kämen Showeffekte, die niemand bestellt hatte. Schüsse fallen. Menschen fallen. Menschen schreien. Das Böse hat den Raum betreten. Das Echte hat den Raum betreten, das keinen Spaß machen will. Das Ernste hat den Raum betreten, das man beim Wort nehmen muss. Das Theater verwandelt sich in kurzer Zeit in die Hölle, die keiner wirklich wollte, die alle nur spielen wollten. Der Teufel ist los! Er wütet. Er spielt nicht. Er feuert Kugeln aus Kriegsgewehren. Er beendet das Theater. Das Theater ist vorbei! Die Seele von Paris ist zerknautscht vor Angst. Die Stadt der Liebe kann nicht mehr richtig lieben. Paris hat ein blutendes Herz. Es hat ein gebrochenes Herz. Paris hat schlechte Träume. Das Herz von Paris ist wund. Paris hat großen Kummer. Paris staubt sich ab und geht arbeiten. Paris verdrängt das Trauma. Alles wird gut. Die Zeit heilt alle Wunden. Paris gibt sich stark und unbeugsam. Politiker können den Menschen nichts geben. Sie wollen nicht helfen. Plötzlich taucht in der Stadt der Liebe ein Mann auf. Er trägt eine Jeans. Er zieht eine Kapuze tief in sein Gesicht. Am Bataclan-Theater zieht er Dosen und Papier aus seiner Tasche. Er sprüht ein Mädchen an die Eingangstür. Das Kind ist staatenlos. Es wirkt introvertiert, scheu und ungefährlich. Banksy ist gekommen! Er schenkt der traurigen Paris ein unschuldiges Mädchen. Paris pilgert zum Bataclan. Hinterbliebene stehen vor der Tür; und zum ersten Mal können sich ihre Tränen lösen. Banksy macht ein Geschenk. Paris ist gerührt. Sie tauft sein Geschenk auf den Namen Das traurige Mädchen. Der Eingang des Bataclan ist fast heilig. Banksy hat eine Erinnerung geschenkt. Er hätte auch eine Tür aus Gold schenken können. Das tat er aber nicht. Einige Zeit später steht jenes Böse vor der Tür, das wir gut nennen. Ein Transporter hält vor dem Theater. Drei Männer flexen die Tür aus ihren Scharnieren und wuchten sie in den Transporter. Sie stehlen, sie entführen das traurige Mädchen. Mit dem Diebstahl schnellt in kurzer Zeit ein Geldwert in unendliche Höhen. Die Tür hat plötzlich einen Wert von 800.000 Euro. Der Teufel, der nur immer zum Spaß beschworen wird, wütet wild. Er will die Täter fangen. Er will sie im Gefängnis sehen. Eine einst wertlose und ignorierte Tür eines Theaters wird zum Börsenobjekt - weil Banksy schrieb: "Liebe Paris. Seien Sie meiner Anteilnahme gewiss." Mit dem traurigen Mädchen drückte er der Stadt der Liebe sein Mitgefühl aus. Und die "Guten" zanken. Sie denken sich einen Preis für seine Empathie aus. Seine Empathie wird auf 800.000 Euro beziffert. Banksy wusste vorher, dass Paris ihrer Trauer beraubt wird!
Kafkas Testament
09/08/24
František Kafka ist für junge Menschen im Trend. Er war also zeitlos, schrieb über Themen, die auch heute nicht an Gültigkeit verloren haben. Er schrieb über die Absurdität der Bürokratie, über Existenzängste, über die Suche nach Selbstidentität. Begraben ist Kafka seit 1924 - auf dem jüdischen Friedhof in Prag. Kafka wird eine gespaltene Beziehung zu Frauen unterstellt. Das soll wahrscheinlich das Credo eines klischeehaften Künstlers heben. Heute würde man Kafka frei nennen müssen. Er liebte Frauen und er liebte sich und seine Arbeit. Ihm wird unterstellt, dass er vor Frauen flüchtete, dass er einsiedlerisch viele Liebesbriefe schrieb, so, wie heute junge Menschen Tonnen LMS und SMS in weite Entfernung senden. Vielleicht sind junge Menschen heute wie Kafka?! Sie schreiben, sie können sich nicht entscheiden, sie schreiben Blogs und machen Vlogs und sie simsen. Vielleicht war Kafka mit seinen Stiften und Papieren und Tagebüchern und Skripten so glücklich und so überfordert, wie junge Menschen heute. Vielleicht verlor er sich in seiner Bubble, die er beschrieb. Vielleicht rannte ihm die Zeit davon und der Tag reichte ihm nicht. Er nannte sein Geschriebenes niemals WERK. Schreibende machen das nicht. Sie schreiben. Richard Exner würde sagen: "Ihr müsst erst einmal lesen lernen." Sicher hat Felice Bauer, Kafkas Freundin, die er nicht ehelichen wollte, gebohrt. Sicher wollte sie Skripte von ihm lesen. Vielleicht hat sie auch in seinen Sachen geschnüffelt. Franz rannte nicht davon. Er wehrte ab. Zudem kam Franz gut bei Frauen an. Er war jung, er hätte Model werden können, er war very smart. Er lebte wie viele Einzelgänger, die man heute ketzerisch bindungsunfähig nennt: Nicht jeder muss alles wissen. Die üblen Nachredner wollten Kafka Homosexualität oder Impotenz andichten. Und so verfügte Franz vor seinem Tod, dass sein Freund und Nachlasspfleger, Herr Brod, seine Schriften, seine Briefe, sein Unveröffentlichtes unbedingt verbrennen soll. Herr Brod hielt sich nicht klar ans Testament. Vielleicht wollte er selbst den Kafka geben? Das hat nicht geklappt. Ich selbst habe Kafka nicht gelesen, weil ich nicht zu den Schnüfflerinnen gehören wollte, die Kafka auf Abstand bringen musste. Zudem können unveröffentlichte Werke für eine Veröffentlichung manipuliert werden. So kam ich Kafka näher. Ich hatte einen Arbeitskollegen und langjährigen Bekannten. Er war ein passionierter Fotograf, der nicht zu den Angebenden gehörte. Seine Leidenschaft galt der Natur und der Architektur. Er war ein Franz Kafka. Ganz für sich stand er in den frühen Morgenstunden auf leeren Plätzen und fotografierte schöne Bauten. Er hockte in einer Wiese und fotografierte Blüten. Nie war er zufrieden. Nie hatte er DAS Bild, das er zeigen musste. Die tollsten, zufälligen Glücksbilder konnten ihn nicht in einen Höhenflug versetzen. Kurz vor seinem Tod löschte und vernichtete er all seine über Jahre gefertigten Fotografien. Eine echte Sünde. Vielleicht mochte er es nicht, wie Nachlasspfleger mit Kafkas geistigem Eigentum umgingen? Vielleicht mochte er es nicht, wie sich Akademiker mit Kafkas WERKEN eincremen. Kafka wird analysiert und seziert: und jedes seiner Worte wurde bürokratisch auf die Goldwaage gelegt. Das ist irgendwie kafkaesk. Franz Kafka hatte einen Traum. Er wollte in Palästina leben. Dieser Traum war damals an eine echte Möglichkeit gebunden. Dieser Traum ist heute das beste Werk Kafkas und eine echte Hinterlassenschaft, weil Menschen, die nichts mit Literatur am Hut haben, Kafka politisieren. Sie verunstalten Kafkas Traum, sie projizieren ihre eigenen Unzulänglichkeiten, ihre eigenen Schlechtigkeiten in diesen Traum; und sie fühlen sich berufen, ihm ein negatives Charakterzeugnis auszustellen, weil sie ihn vermeintlich "verehren". Gespaltene Köpfe fleddern geistiges Erbe. Damit bestätigen sie Kafkas Weisheit und Weitsicht. Nicht jeder muss alles wissen. Brod hätte den Auftrag erfüllen sollen, nur so kann man Kafka verstehen.