Bis das der Tod Euch scheidet

Ich war Trauzeugin! Ein erstes Mal ist für mich immer ein großes Ereignis, eine Freude, eine Ehre. Ich stand mit meinem Fotoapparat zu früh vor dem Standesamt. Um 8:30 Uhr öffnete sich die schwere Tür und die ersten Eheleute, die noch um 8:10 Uhr Singles waren, kamen heraus. Ihr Gefolge durfte nur aus sieben Personen bestehen. Auf dem Platz warteten ihre Freunde mit Sekt. Der Reiswurf wurde aus wichtigen Gründen verboten. Der Konfettiwurf wurde aus wichtigen Gründen verboten. Der Heliumballonflug wurde aus wichtigen Gründen verboten. Die klimpernden Dosen am Auto stören die dünnen Nervenkostüme in der Stadt. Der Kriegslärm in der Welt ist so wichtig und so erlaubt und so geduldet, dass in Berlin bestimmt bald die Musik verboten wird. Die Musik im Standesamt fiel bereits weg. Sicher dürfen Eheleute sich demnächst nicht mehr über die Schwelle tragen, weil sich die Wärter*innen dem Schutz der Geister verschrieben haben, die sich unter Fußmatten verstecken. Meine Freunde fuhren mit mehreren Autos vor. Der zukünftige Bräutigam und seine zukünftige Braut wirkten leicht bedient, weil die Taxivorbestellung nicht klappte. Fachkräftemangel, Menschen auf 400 Euro-Basen, unausgebildete Kaufleute, Uber….die Welt ist bereits ein dem Leben entrückter und verrückter Ort. Im Standesamt wurden uns, den sieben Erlaubten, zunächst die Ausweise "weggenommen". Das "Gruppenvisum" für das Land der Ehe musste ausgestellt werden. Dann wurden wir von der Standesbeamtin in den Trauraum geführt. Sie erinnerte uns daran, dass man auch lachen könne. Müssen Eheleute die Standesbeamten unterhalten? Wie sollten sie das anstellen, wenn alles verboten ist, keiner so richtig weiß, was noch erlaubt ist. Ihr Vortrag wirkte ein wenig flapsig. Sie dachte sich wohl aus, dass meine Freunde nach 21 Jahren wilder Ehe nichts über die echte Ehe hören mochten. Viele Menschen reden sich heute irgendwelche Geschichten ein. Ein Gegenüber braucht es dafür schon lange nicht mehr. Ich saß so auf meinem barocken Zeugenstuhl, lauschte und wartete. Nach den Ja-Worten meiner Freunde unterschrieben wir, die Trauzeugen. Dann wurden wir alle nett verabschiedet. Ich überlegte, was der spanische Teil der Familie wohl in der Heimat übermitteln könnte, denn schließlich sind sie die modernen Montaingnes, die Reiseberichte überliefern. "In Deutschland pflegen Menschen Verbotsbräuche. Der Tritt von oben nach unten wird streng kultiviert. Die Reichen können sich Kutschen und Limousinen leisten. In Deutschland funktioniert der Taxiservice nicht." Vielleicht beeinflusst unser Verhalten sogar die Wahlen in Frankreich. Vielleicht denken Franzosen über unsere Verbotsbräuche nach. Eine französische Putzfrau, im miesen Zeitarbeitmodus - ohne Kündigungsfristen, sagte in einem Interview, sie könne die dösenden und teils schlafenden Politiker in den Parlamenten nicht mehr ertragen. Sie könne es einfach nicht mehr sehen. Ich verstehe sie! Die Hochzeit meiner Freunde startete überhaupt erst mit ihrem Hochzeitsfest. Verwerflicherweise gab es Spanferkel; und sogar Musik. Nichts war verboten. Sogar die Kinder durften tanzen. Ist das nicht skandalös! Schließlich konnten die Gäste endlich an einer genialen Fotowand lachen. Und…wer hat den Brautstrauß gefangen? Eine roséfarbene Rosenhalbkugel ziert nun meine Räume. Die Frau Giffey muss sich schwer anstrengen! Die Gastarbeiter und die Kinder der Gastarbeiter lassen sich das nicht mehr bieten. Recht haben sie damit!

Kampagnen

Ich beobachte, ausschließlich aus beruflichen Gründen, die gesellschaftliche Lust an und auf Kampagnen. Frau Lohfink behauptet, dass Sie vergewaltigt wurde. Demonstranten malen Plakate und eilen zum Gericht. Sie bestärken und verstärken. Das Blatt wendet sich und plötzlich ist Frau Lohfink die Angeklagte. Die Kampagne schadet zwei Männern. Herr Kachelmann wird bewusst öffentlich vorgeführt; er kommt ins Gefängnis, weil die Kampagne einer Frau tatsächlich funktioniert und die "Kopfgeldjäger" auf den Plan ruft. Das Blatt wendet sich. Das Opfer entpuppt sich als Täterin. Herr Ofarim behauptet öffentlich, affektiv auf Instagram, dass ein Leipziger Hotel sein Check-in verweigerte, weil er seinen Davidstern trug. Die Anschuldigung gegen einen Hotelmitarbeiter wiegt lange enorm schwer. Die Kampagne ruft Demonstranten auf den Plan, die sich vor dem Hotel postieren. Sogar die grüne Justizministerin aus Sachsen äußerst sich öffentlich. Das Blatt wendet sich. Der Staatsanwalt klagt Herrn Ofarim an, weil seine enorm schweren Vorwürfe an Halt verlieren. Wie im Fieberwahn schreiben Medien, dass es trotzdem ein Antisemitismusproblem in Deutschland gibt. Diese Reaktion erinnert an peinlich schlechte Verlierer. Sie erinnert nicht an guten Journalismus, denn schließlich ist es immer das Prinzip einer Kampagne, das Hass und Hetze schürt. Gefährlich wird die Kampagne überhaupt erst durch Unterlassung. Eine Plausibilitätsprüfung hebelt jede Kampagne aus! Jeder, der diese Prüfung unterlässt, profitiert von einer Kampagne. Es geht bei Kampagnen nicht mehr um Rufschaden. Es geht um die Zerstörung. Das Leben der beiden Männer sollte zerstört werden. Das Hotel sollte zerstört werden. Herr Kachelmann sollte zerstört werden. Die Köpfe der unterschiedlichen Kampagnen haben die immer gleiche Strategie. Sie drehen sich - immer auf Fremdkosten - in einen Mittelpunkt. Auch politisch beschreitet eine Kampagne den Weg des geringsten Widerstandes. Das Handelsblatt titelt zum Ukraine-Krieg: >"Das ist Völkermord": Schockierte Reaktionen auf Russlands mutmaßliche Kriegsverbrechen.< Mutmaßliche Kriegsverbrechen können keinen Völkermord beschreiben. Mutmaßlich schwanger kann keine Schwangerschaft beschreiben. Es bleibt - bis zum klaren Beweis - eine strategische Kampagne. Die Kampagne implementiert; so, wie die gute alte Werbekampagne Clementine implementierte. Wenn ein Teil des Justizapparates auf Kampagnen abfährt, einschließlich einer Ministerin, wenn Medien auf Kampagnen abfahren, wenn Menschen auf Kampagnen abfahren, dann profitieren sie alle; und das sollte uns allen schlaflose Nächte bereiten. Warum? Weil Spieler keine Plausibilitätsprüfung durchführen können. Dafür braucht es eine wie auch immer geartete Ausbildung, die sie nie durchhalten würden. Sie manipulieren Menschen. Das beschreibt ihren Zustand, nicht aber ihre Disziplin. Meine Branche, in all ihren Facetten, sollte sich in aller Strenge zurückziehen. Wir sollten straffe und extrem strenge Ausbildungen forcieren, um wahrhaft Trauernde vor Kampagnen zu schützen.