Erste Umfrage

Ich habe heute eine Umfrage gestartet, die drei vereinbarte Etappen umfasste. Befragt wurden 10 Personen. In einer Zeit der verkürzten Nachrichten, verkürzen sich Gedanken, Worte und es verkürzen sich natürlich auch Taten. Die erste Frage meiner Umfrage lautete: "Sollte eine Bestattung billiger sein als ein Computer von Apple?" Alle Befragten sagten: "Ja." Diese Art der Umfragen landet in Medien. 10 Personen müssen weder etwas über die Herstellungskosten eines Computers wissen noch müssen sie etwas über den Kostenaufwand für eine Bestattung wissen; und das wissen sie auch, denn ich habe ihnen die Frage gestellt. Sie haben sich eher nicht darum gerissen. Meine zweite Frage lautete: "Findest Du deine erste Antwort logisch?" Alle 10 Personen antworteten: "Nein." Diese Antwort belegt einen gesunden Menschenverstand, weil meine erste Frage eine verkürzte Antwort forderte, eine, die einen reinen Vorteil erkennt. Meine dritte und letzte Frage lautete: "Warum hast Du an der Umfrage teilgenommen? a) weil ich Dir einen Gefallen tun wollte. b) weil ich das für ein Spiel halte. c) Einfach nur so. Da die dritte Frage nicht reglementiert verkürzt war, konnte ich eine leichte Genervtheit erkennen. 7 Personen wollten mir einen Gefallen tun. 3 Personen haben einfach nur so mitgemacht. Ich halte die gesamten Umfragen, die Medien in Auftrag geben, die Institute im Internet starten, für fahrlässig. "Sind Sie dafür, dass Ärzte kostenlos arbeiten?" Ja. Wer mir so eine Frage stellt, der will nicht damit rechnen, dass ich kompetent bin, dass ich politisch und sozial genug bin, so eine Frage innerhalb von Sekunden qualifiziert zu beantworten. "Sind Sie mit der Kanzlerin zufrieden?" Ja. Diese Antwort kann ich geben, weil ich sie nicht kenne. Auf ihre Arbeit und auf meine politische Zugehörigkeit zielt die Frage ebenfalls nicht ab. "Sollten wir den Tod endlich abschaffen?" Ja. Das versuchte bereits der bulgarische Schriftsteller Elias Canetti. "Sollten wir dafür zunächst die Bestatter abschaffen?" Ja. Das ist wohl ein guter Plan. Diese Umfragen bedeuten nichts, weil man sie kindlich, einfältig, unbedacht, im Affekt beantworten soll. Man muss für Umfragen keine Qualifikation haben. Verkürzte Fragen sind also sehr gefährlich. Es stellt sich die Frage, warum Medien Umfragen drucken, die im Grunde keinen Wert haben. Echte Gespräche mit echten Fachleuten haben einen großen Lerneffekt. "Haben Sie Angst vor Viren?" Ja. Wer hat das nicht. Und trotzdem möchte ich nicht, dass diese Antworten zu absurdesten Regulierungen führen. "Haben Sie Angst vor Terroristen?" Ja. Ich bin schließlich nicht lebensmüde. Würde ich mit einem Nein antworten, stände ich unter Terrorverdacht; und genau das möchte ich nicht. Umfragen sind Mist. Sie sind wie Verhöre, in denen Worte im Mund abgedreht werden. "Sind Sie, als Bestatterin, für ein Massensterben?" Nein. Sicher nicht. "Sind Sie gerne Bestatterin?" Die Frage stellt sich in einer gesunden Gesellschaft logischerweise nicht, weil die logische Antwort lauten muss: "Der Tod ist total faszinierend." Markus Lanz hat diese Taktik völlig unwissend übernommen. Ihm fehlt die fundierte Ausbildung. Er hinterfragt nicht journalistisch. Er will ständig steuern. Das machen diese Umfragen auch. Sie steuern eine Meinung. Elias Canetti hatte das verstanden. Er schrieb gegen den Tod an - ein Leben lang.