Disziplin neu denken

Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, in der Kinder und Mütter legitim geschlagen wurden. Kinder wurden in Schulen mit Linealen geschlagen, zur Strafe in Ecken gestellt. Der Blick auf eine Wand sollte vielleicht ein Gefängnis simulieren. Kein Lehrer konnte das so genau erklären. Es ging um den Gehorsam, den Hannah Arendt zu freundlich in der Aufarbeitung der Geschichte erklärte. Mich erinnerte das an standrechtliche Erschießungen und ich war froh, dass es mit den Gesetzen der Alliierten ein Waffenverbot gab. Die Ohren wurden langgezogen. Sie wurden Löffel genannt, weil wir im Grunde nur Hasen waren, die man fangen musste. Eltern sollten Flausen austreiben. In ihrer gehorsamen Hilflosigkeit kamen sie wohl nur auf Schläge, um das Böse auszutreiben. Die Schriften der Kirche verwischten sich ordentlich in staatlichen Anstalten. Staatliche Schulreisen waren Fahrten in aufgehübschte Lager, in denen Kinder von Fremden gezüchtigt wurden. Ferien waren das sicher nicht. Die Post wurde kontrolliert. Telefonate durfte man nur im Beisein der Heimleiter mit den Eltern führen. Die Exorzisten hatten freie Hand. Besonders in staatlichen Kinderheimen, die an Gefängnisse erinnerten, konnten sie ihre Straffantasien gut ausleben. Essensentzug. Schlafentzug. Redeverbote. Schläge. Isolation. Trennung von Geschwistern. Das galt damals als NORMAL. Niemand zweifelte. Und plötzlich standen Erwachsene, die auch Eltern waren, auf! Die 68er-Generation war die erste ungehorsame Generation in Deutschland. Plötzlich nahmen große Menschen auf kleine Menschen Rücksicht. Sie erklärten Kinder zu Menschen, die Rechte haben. Sie erklärten, dass die Pubertät nicht das Böse in uns ist - sondern ein gesunder menschlicher Prozess. Sie erklärten uns, dass wir sogar einen Biorhythmus haben. Das erklärte, warum ich nie in Klassenzimmerecken stand und Wände anstarren musste. Ich war in der Schulzeit schlicht zu müde. Gehorsam musste ich auch nach der Schule nicht sein. Meine Mutter war eine Knicksverweigerin. Sie fand heraus, dass dumme und einfältige Menschen Herrenrasse spielten, die von jedem Mädchen einen Knicks und von jedem Jungen einen Diener zur Begrüßung forderten. Kürzlich schrieb die ZEIT, dass der Mittelstand Dienstboten braucht. Dienstboten… Wollen deutsche Medien das Haus am Eaton Place reloaden? Der Artikel ist deshalb so humorig, weil es bald keinen Mittelstand mehr gibt. Hudson und Ruby putzen das IKEA Besteck der reichen Influencer, die nie eine relevante Schule besucht haben. Was eine Vorstellung! Hudson hat die Auszeichungen der teuersten Butlerakademien; und seine Vorgesetzte wird Kylie Jenner. Warum denken wir Disziplin nicht einfach neu? Warum nehmen wir nicht einfach Rücksicht - zum Beispiel auf ungeimpfte Menschen? Schließlich handelten die Gesundheitsminister der G20 offenkundig fröhlich fahrlässig. Die Dynamik der Gesellschaft würde sich zudem schlagartig ändern. Ich vermute, dass man dann auch Rücksicht auf unsere Landesgäste nehmen würde. Im Moment scheinen die neuen Kolonialherren Berlins, auch die weiblichen, en vogue zu sein. Inder liefern Waren und Essen in private Haushalte. Wir könnten sie barfuß fahren und laufen lassen. Wir könnten sie bitten, einen Diener zu machen, wenn sich unsere Türen öffnen. Wir könnten sie bitten, zur Begrüßung Memsahib und Sahib zu sagen. Wir könnten sie zur Strafe in die Hausflurecken stellen und mit Stöcken schlagen, wenn das Essen zu kalt ist. Wir könnten ihnen Sachschäden anhängen, die sie nie verursacht haben. Dienstboten…Geht dieses Wort, über die staatlichen Instanzen, um die Welt? Liebe Inder, liebe Syrer, wir suchen Dienstboten für den Mittelstand, den es eigentlich nicht mehr gibt. Ich frage mich just in diesem Moment, warum die Welt, die uns nicht wirklich kennen kann, schon vor dem Zeitalter des Internets meinte, dass Deutsche so pünktliche Menschen sind. Man muss ehrlicherweise sagen, dass Weltbürger aus netten Elternhäusern oft pünktlich sind, weil es eine Form der Höflichkeit ist. Der staatliche Apparat in Deutschland war immer unpünktlich. Daher das Sprichtwort Behördenmühlen mahlen langsam. Langsam ist unpünktlich - im Kontext undiszipliniert. Nur Gottes Mühlen dürfen langsam mahlen. Der Vergleich mit Gott wird hier also sichtbar. Man braucht schon enorm viel demokratische Disziplin, wenn plötzlich eine ganze Regierung unpünktlich und undiszipliniert liefert. Deutsche Medien fordern, dass WIR bitte Demokraten werden sollen. Schon klar. Sie bemängeln gleichzeitig, dass Menschen Gesetze in die Hand nehmen wollen. Sie machen keinen großen Hehl mehr daraus, dass sie den Knüppel fordern. Das ist NORMAL. Das geht als Demokratie durch, weil es NORMAL ist.