Die Gefallsucht
23/04/23
Menschen machen alles, um zu gefallen. Instagram ist ein Sammelbecken der Gefallsüchtigen. Tiere werden domestiziert, Kinder werden domestiziert, eigene Körper werden domestiziert. Kunst muss neuerdings gefallen. Sogar Pannen und Unfälle müssen gefallen. Die Hochzeitstorten eskalieren und müssen gefallen, die Sportszene pumpt, weil sie gefallen muss. Gesichter bekommen Filter, weil sie gefallen müssen. Natürlich ist Ricarda Lang ein Hobby von Herrn Nuhr. Er kritisiert nicht ihre Arbeit. Er kritisiert ihre Figur. Der Tenor: Dicke wissen nichts über Ernährung. Der Beifall ist ihm sicher, weil er gefällt - nicht, weil er in irgendeiner Form recht haben könnte. Kürzlich nahm ich an einer Kundenbefragung von IKEA teil. In vielen Punkten wurde ich nach meiner Zufriedenheit im Bereich Service befragt. Mir fiel auf, dass ich die Produkte nicht bewerten sollte. Der Mitarbeiter muss funktionieren - nicht die Küche. Klar ist, dass IKEA gute Schulungen durchführt, denn die Mitarbeiter sind immer (!) freundlich. Sie sind nie anmaßend oder übergriffig. Eine Frage fand ich speziell. Sinngemäß wollte IKEA wissen ob sie, meiner Meinung nach, Skandinavien repräsentieren. Hej allein kann nicht Skandinavien sein. Die Mitarbeiter in gelb-blau repräsentieren sicher nicht Skandinavien. Offenkundig muss man im Konzern einen Spagat machen. IKEA muss weltweit gefallen - gleichermaßen muss IKEA skandinavisch bleiben. Repräsentiere ich mit meinem Bestattungsinstitut Deutschland? Bei dieser Frage würden sich mir die Körperhaare aufstellen. Diese Frage stellte ich auch dann nicht, verortete ich mein Bestattungsinstitut in Schweden. Das käme auch in den USA nicht gut an. Sollte, entgegen aller Erwartungen, die Kuppeltruhe mit Flammen und Patina den typisch amerikanischen Sarg ablösen, käme ich ebenfalls nicht auf diese Frage. Konzerne und nationaler Kult. Apple möchte nicht skandinavisch sein. IKEA möchte nicht amerikanisch sein. ADIDAS wollte den jungen Michael Jordan - damals jung und weltweit unbekannt - unter Vertrag nehmen. Unglaubliche Summen sollten gezahlt werden. NIKE setzte alles auf eine Karte und baute um Michael Jordan einen großen amerikanischen Traum. NIKE wollte nicht gefallen. Sie pfiffen auf die sportliche Kleiderordnung; und so war der erste Air Jordan rot-schwarz. Auf allen Kanälen ist es sichtbar, dass auffallend viele Deutsche einen unnötigen Spagat vollziehen. Sie sprechen teilweise sogar mit britischem Akzent. Oder sie ersehnen den amerikanischen Traum, der sich in Wanne-Eickel erfüllen soll. Der junge Robert Habeck sagte in einem Interview: "Es gibt kein deutsches Volk. Das ist reine Nazisprache." Er will gefallen. Ehrlich ist er keinesfalls. Seiner These folgen nämlich viele ausländische Konzerne. Sie klinken sich aus dem deutschen Steuersystem aus. Deutschland ist zu teuer. Deutschland hat zu hohe Lohnkosten. Deutschland ist die Steuerhölle. Wem wollen wir bitte gefallen? Man stelle sich den riesigen Konzern IKEA vor, der weltweit operiert: "IKEA ist zu skandinavisch. Die Möbel sind zu skandinavisch. Die Landesfarben auf der Personalkleidung sind total nationalistisch…" Der Konzern würde sich abschaffen. Wem also müssen wir gefallen? Herrn Nuhr?!