Zuckerbrot und Peitsche

Es gibt viele plausible Gründe, warum Menschen im Fall der Coronamaßnahmen skeptisch werden. In der letzten Woche fand die "Arbeitsgemeinschaft Influenza" des Robert-Koch-Instituts statt. Es ging um die Entwicklung der Virusgrippe-Erkrankungen. In Deutschland gibt es bisher zwei Wege, auf Krankheiten (des Atemsystems) zu reagieren. Entweder beschreibt man einen volkswirtschaftlichen Schaden, der nach Angaben des Statistischen Bundesamts im Jahr 2018 bei 34 Milliarden Euro lag; das war Platz 3, nach Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und psychischen Störungen - oder man droht mit der strafrechtlichen Verfolgung (§367 Abs.1 Nr.3 StGB): "Wer ohne polizeiliche Erlaubniß Gift oder Arzneien, soweit der Handel mit denselben nicht freigegeben ist, zubereitet, feilhält, verkauft oder sonst an Andere überläßt." Dieses Gesetz galt von 1961 bis 1975. In Deutschland ging der Gesetzgeber davon aus, dass die Erkältung eine Beschwerde, eine Unpässlichkeit ist, also keine Krankheit. Das Amtsgericht Bremen verurteilte Ende der 1950er Jahre einen Drogisten, der Kopfschmerztabletten verkaufte. Die Revision führte das OLG Bremen zurück in die Kaiserliche Verordnung von 1901, die den Verkehr mit Arzneimitteln regelte. Das OLG meinte trotzdem, dass Schnupfen - wie auch Sodbrennen oder Kopfschmerzen - keine Krankheit sei. Weil das Kammergericht aber mit Urteil vom 26. September 1956 erklärte, dass "als Krankheit jede Störung der körperlichen und geistigen Gesundheit, d.h. jede Abweichung von der Norm" gelten solle, die geeignet ist, das Wohlbefinden zu beeinträchtigen", hatte das OLG Bremen um Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) gebeten. Mit Beschluss vom 21. März 1958 (Az. 2 StR 393/57) darf sich jeder Mensch - mit dem ersten Niesen eines sich bahnenden Schnupfens - offiziell krank nennen! Die Moderne rechnet sogleich den volkswirtschaftlichen Schaden aus, der durch anwesend verschnupfte Mitarbeiter entstehen kann: 130 Milliarden Euro im Jahr. Nun sind Deutsche entweder old school. Sie gehen arbeiten bis der Arzt kommt - oder Deutsche sind new school, dann ist der minimalste Anstieg der Körpertemperatur desaströs, ein hörbarer Hilfeschrei der Seele. Deutsche Medien machen in einer Pandemie die größten Fehler. 1. Wenn man über Wellen berichtet, die über das Land kommen werden, dann fördert man den Aluhut. 2. Wenn man Corona-Zweiflern das Strafgesetzbuch aufbrummt, ihnen also eine Virus-Erkrankung einhämmern will, die sie nicht verstehen, dann ist das politisch und menschlich falsch. 3. Wenn ein Bürgermeister im Vorstand einer Klinik sitzt, dann macht es den einst hochangesehenen Chefvirologen unter Umständen unglaubwürdiger, da er nicht den Eindruck der Unabhängigkeit vermittelt. Fassungslos macht mich nicht die Gesetzgebung. Fassungslos macht mich auch kein Herr Wendler. Fassungslos macht mich eine unsouveräne Menschenmasse, die ihm nichts Fachliches entgegenbringt. Sie benehmen sich so, wie er es voraussagt. Selbst der durch Dauerweichzeichner selbstportraitierte Herr Bohlen sagt nicht: "Ey, Kumpelchen. Was fehlt Dir denn? Der kritische Herr Kubicki von der FDP verhindert auf jeden Fall eine von Dir befürchtete Zwangsjacke." Humorlos und kerngesund(!) zeichnet sogar eine Computerzeitschrift den Herrn Wendler wie einen gefährlichen Psycho. RTL hätte souverän schreiben können: "Seine Trump-Nähe passt nicht zu unserem Konzept. Alles Gute für Herrn Wendler." Kaufland hätte den Werbevertrag schlicht kündigen können. Sie machen noch eine Umkehrwerbung daraus: Wir, die Guten, jagen das Böse aus dem Land. Das hat mir zu esoterisch narzisstische Züge. Wenn in meinem Geschäft maskierte Menschen skeptisch sind, dann habe ich keine staatlich politische Mission zu erfüllen. Ich habe eine Skepsis zu akzeptieren. Ich finde Skeptiker sogar hochinteressant: Polizisten, Apotheker, Ärzte, Gesundheitsämter. Ich bin kein Sittengemälde - für keinen Staat.