Stellvertretung
04/12/19
Die Generation meiner Eltern, also die Jahrgänge um 1943 herum, haben über viele Jahre öffentlich und überaus eindrucksvoll erzählt, dass sie Stellvertreter für die Toten wurden. Ich hätte wenigstens von Philosophen erwartet, dass sie dieses Thema genau beleuchten. Mädchen und Jungen wurden Stellvertreter toter Väter. Vielleicht ist das Mutterthema deshalb so über die Maße groß gewesen. Pina Bausch aus Wuppertal war die erste deutsche Künstlerin, die diesen Stellvertreterkreis zeigen und durchbrechen konnte. Kleine Menschen in Deutschland lernen heute nicht, dass sie eine Gabe haben, die sie natürlich nutzen und einsetzen werden. Menschen in Deutschland lernen in Folge, dass sie Stellvertreter sind. Das ist eine große Tradition, die gepflegt wird. Dichter und Denker werden nicht gefördert. Junge Menschen sind Stellvertreter der Toten. Goethe und Schiller bleiben am Leben. Die Kanzlerin schwieg über Jahre - wie eine Tote. Sie verlässt sich auch heute auf Journalisten, die ihre Stellvertreter wurden. Die Hochfinanz würde gerne die sinkende Aktie CDU übernehmen, also die Stellvertreter entlasten. Herr Merz wäre gerne Stellvertreter für tote Politik. Stellvertreter verlassen in dieser Endloskette ihre eigenen Plätze. Das ist der Punkt. Nur dadurch (These) wurde ein Relotius herangezogen. Er mochte Journalisten nicht. Er war ein 1:1 Stellvertreter des Films Shattered Glass. Bully Herwig verfilmt nun die Geschichte von Claas Relotius. Der tote Kant wird von einem Komiker vertreten. Menschen in Deutschland sind Stellvertreter für die Toten; und Politiker können keinen Friedensvertrag abschließen. Was würde Kant wohl über eine Politik sagen, die Google-Fahrzeuge - lustig filmend - durchs Land fahren ließ? Beschreibt die heutige Jugendkultur eine reine Stellvertreterkultur?