Hype

Eine alte Dame, ihr Enkel und zwei junge Männer sterben bei einem Verkehrsunfall in Berlin-Mitte. Der Bezirksbürgermeister, Herr von Dassel, nutzt die Gelegenheit. Seine Panzerfantasien lenkt er auf ein Auto. Die Familien dürfen sich benutzt fühlen. Herr von Dassel, selbst Witwer, sollte es besser wissen. (Ein Auto mit höchster Verkehrssicherheit rast nicht einfach so in eine Menschengruppe. Kleinwagen der 80er Jahre waren im Vergleich zu einem SUV Waffen.) Heute fahren keine Panzer durch Berlin. Selbst Lkw's und Reisebusse sind keine Panzer. Politiker verkauften auch Berlin Mitte, den Bezirk der Mischpoke, an extrem wohlhabende Menschen. Im Kaufvertrag stand nicht: Sie müssen in Berlin Fahrrad fahren. In Berlin spielen Politiker seit langer Zeit mit Menschenleben. Die Omas in den beliebten Bezirken bringen kein Geld. Sie können in Altenheimen wohnen. Die Omas haben allerdings die beste Stimmung verbreitet. Der Reichtum in Berlin bewirkt, dass niemand mehr in mein Geschäft kommt und fragt: "Kannst Du mir ein Stempel auf meine Sozialamtsliste machen? Ich muss Bewerbungen nachweisen." Kaltherzigkeit zeigt sich, wenn der Hype wichtig ist - nicht der Mensch. Die einen fahren SUVs - die anderen sammeln Stempel. Um Annie Leibovitz gab es einen riesigen Hype. Sie hatte Glück, denn sie fotografierte berühmte Menschen. In ihren Bildern kann man Rassismus, Sexismus und Machtgelüste nicht ausschließen. Whoppi Goldberg badet in Milch. Milch ist bekanntlich weiß. Harvey Weinstein, der damals noch extrem mächtige Mann, posiert mit seiner Mama. Egos nehmen keine Rücksicht auf andere Egos. Sie stolpern am Ende beide. Dieses Bild beschädigt heute ihren eigenen Ruf. Die schwangere Melania Trump steht fast unbekleidet auf einer Flugzeugtreppe. Sie steigt in ein deutliches Phallussymbol. Donald sitzt offen daneben - in einem Auto. Die Vogue kann nicht immer gute Titel haben. Annie Leibovitz zeigte bei einer Podiumsdiskussion Bilder aus einem ihrer Bücher. Sie stellte Tanten und Kinder vor. Dann sagt sie knapp: "Das ist mein toter Vater. Das ist sein Grab. Und das ist Kanye West und seine Familie…" Unerträglich. Ich müsste sie gut finden. Warum aber sollte ich eine Fotografin gut finden, die Susan Sontag nebenbei demontiert? Weil sie das Budget der Vanity Fair gesprengt hat? Sven Marquardt macht für weniger Geld bessere Fotos. Sibylle Bergemanns Bilder demontieren nicht. Es sind die Bilder einer starken Frau, die Bilder machen kann. Ute Mahlers Bilder sind enorm androgyn. Herb Ritts ist Ying und Yang. Helmut Newtons Ideen - auf Kosten der Frauen - waren extrem gut. Seine Bilder sind kontrovers. Dachte Annie Leibovitz, dass sie gewinnt, wenn sie Tote ausstellt? Kein Mensch gewinnt so ein "Shooting"!