Weihnachten

Ich habe mich in diesem Jahr für eine Mixtur aus Briefen, Karten, E-Mails und SMS für meine Weihnachtsgrüße an Freunde und Geschäftspartner entschieden, auch um einen Einheitstrott zu verhindern. In diesem Jahr schmückte ich einen Omabaum, mit Lametta, ewig schiefen Klemmkerzen und einfarbigen Kugeln. Rot für die Äpfel hatte ich leider nicht. Also nahm ich braune Kugeln, die Nüsse symbolisieren. Ich hätte Äpfel und Nüsse dekorieren können, wusste aber um die zeitgemäßen Kritiken: "Mit Essen spielt man nicht!" Im Zeitalter der Produktion und der Überproduktion ist Weihnachten schon lange auch ein Spiel mit Nahrung. Meinen Baum fotografierte ich für die schriftlichen Weihnachtsgrüße vor dem 24. Dezember und deshalb war seine Spitze noch nicht gekrönt. Ich habe mich in diesem Jahr nicht für den Stern von Bethlehem entschieden - sondern für eine kleine Weltkugel, die sicher irgendwo in Massen produziert wird. Im Endergebnis muss ich persönlich feststellen, dass die Weihnachtstelefonate und die postalischen Grüße Freude entfachten. In der digitalen Welt hat sich auch, also nicht nur, eine "Ordnungsbehörde" etabliert. Diese "Ordnungsbehörde" dankte in meinem Fall, merkte aber an, dass der Gruß Frohe Weihnachten wohl nicht zu Corona passt. Passte Weihnachten bisher also zu Krebs, zu AIDS und zu tödlichen Keimen. Die Entfremdung in meiner Branche, also die Entfernung zum Tod, demontiert meinen Berufsstand. Menschen sagen Corona. Es gibt ihnen das Gefühl, dass sie noch etwas regulieren können. Eine Pandemie ist nicht regulierbar, wie AIDS. Das Kondom ist hier ein Lockdown. Ein Medikament ist in Sicht. Eine flüssige "Ordnungsbehörde" wird überflüssig und mündet nur in einen Überfluss, einem Fluss voller Plastikgebilde. Meine Weihnachtsgrüße per SMS waren unterschrieben und trotzdem fragten einige Empfänger: "Wer ist da? Kennen wir uns?" Der Weihnachtsgruß wird demontiert, weil Menschen nur noch das inszenierte Böse glauben. Heute, am 25. Dezember feiern Menschen in Großbritannien den Christmas Day - den wichtigsten Tag nach Christmas Eve - einen Tag vor dem Boxing Day. An Heiligabend hängen die Kinder Socken an den Kamin, die der Legende nach der Weihnachtsmann über Nacht befüllt. Also wünschte ich Freunden im ausgeblendeten Großbritannien heute Frohe Weihnachten. Dort nennen mich Menschen warmherzig Darling; und ich bin froh, dass Europa noch keine einheitliche Ordnungsbehörde geworden ist, ein Breitopf ohne Fiskalsystem, in dem Geld geschossen und durch Ventilatoren gepustet wird, bis der wohl angesteuerte Schuldenschnitt kommt. Deutsche Medien verfolgten hämisch den Brexit; sie beleidigen nicht nur meine Freunde, sie loben einen 2000 Seiten Extravertrag als "europäischen" Marathon. Die EU ohne Großbritannien ist ein einziger Schrei nach Liebe. Braucht Europa eigentlich das Knie der EU? Stirbt die Kultur, die Kunst, das Können der Europäer unter diesem Knie? Die Pandemie schreit jedenfalls nicht nach Lieferketten, nach Konkurrenz mit China und Amerika. Europa war immer konkurrenzlos! Die wirtschaftlichen Katastrophen nach der Pandemie werden nach den Stiefeln der Rechten und nach den Stiefeln der Linken schreien. Das machen sie immer. Die Rechten wollen ein Europa der Vaterländer. Die Linken wollen aus Europa ein zweites China machen. Sie wollen ihre Kasten so unbedingt, wie die Kapitalisten. Beide werden feinste Qualität, gemacht aus purer Kultur, zertrampeln. Wo psychotische Technikopfer die Dunkelheit transportieren, muss ich Freunden und Geschäftspartnern FROHE Weihnachten wünschen. Ich bin in meinem Beruf sicher nicht der 4. apokalyptische Reiter; und Weihnachten ist nicht das Jüngste Gericht.