Trennung stiftet Sinn

Trennung macht natürlich nur Sinn, wenn eine Geschichte, ein Kapitel beendet wurde. Mit einem Todesfall leben die Toten auf den Friedhöfen. Das ist der Grund für eine pedantisch ästhetische Pflege aller Friedhöfe. Ich persönlich hänge keine Bilder von Verstorbenen in meiner Wohnung auf. Ich baue keine Altare, wenn ein Mensch gestorben ist. Ich brauche keine Bilder in meinem IPhone. Auf meine Erinnerungen kann ich mich verlassen. Sie kommen immer. Ein gesunder und freier Geist ist wie der Wind. Er bewegt Bilder und er trägt sie wieder davon. Ein Lebensraum, der an eine muffig dunkle Gruft erinnert, ist ein freudloser, ein geistlos unsinnlicher Raum, in dem jeder Lebensgeist erstickt werden soll. Das Wort Trennung verknüpft sich heute fast ausschließlich mit dem Wort Rassentrennung. Das Internet ist für viele Menschen nur noch ein kleiner öder Bezirk, den sie - aus einer kleingeistigen Manie heraus - nicht mehr verlassen. Sie fordern ihre Freiheitsrechte. Andere sollen die Freiheit für sie bewahren. Demonstranten, Menschen, die auf die Straße gehen, sollen gefälligst darauf achten, wer da noch so auf Demos marschiert. Twitter und Facebook müssten demnach bald bankrott sein? Nicht nur Trump twittert. Das digitale Zeitalter erinnert an Tucholsky: "So, wie ick hier liege, bin ick aus dem Fenster jefallen." Da wäre zum Beispiel Dieter Nuhr, der sich über einen Buchtitel lustig macht, weil er ihn rassistisch findet. Er behauptet ins Blaue hinein, dass man das Buch von Alice Hasters >Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen< in Amerika besprechen würde: "So was bespricht man tatsächlich in Amerika." Alice Hasters ist eine deutsche Journalistin. Ihre Mutter ist US-Amerikanerin. Das Buch wird im Moment ausschließlich in Deutschland besprochen. Bezeichnenderweise werden ihre Eltern auf Wikipedia als schwarze Mutter und weißer deutscher Vater beschrieben. Für mein Gefühl stimmt diese Trennung nicht. Mit dem Titel allein hat die Autorin Dieter Nuhr schwer düpiert. Er merkte, dass die reine Benennung seiner Hautfarbe ein Stigma, also ein Makel wird. Weiß ist nicht selbstverständlich. Weiß ist relativ. Bis dahin konnte ich ihm folgen, denn Weißer klingt ebenso wie Schwarzer. Seine Unbildung macht mir wirklich zu schaffen, denn er wunderte sich ernsthaft darüber, dass man dieses Thema tatsächlich in Amerika besprechen muss. Hierbei blendet er nicht nur die Geschichte der Sklaverei aus. Er blendet die unsäglich lange Tradition des Ku-Klux-Klan aus, der die weiße Rasse bis heute feiert. Dieter Nuhr hätte sich von jenen Männern trennen können, die sich Zipfelmützen über Kopf und Gesicht hängen. Er hat sich stattdessen von einer Autorin getrennt, deren Buch er nicht einmal gelesen hat, die ihm nicht böse gewesen wäre, wenn er ihr Buch nicht erwähnt hätte. Wikipedia beschreibt seine Familie: katholisch. Er war Messdiener. Man sollte sich von Wiki trennen, denn dieser Ort wirkt nicht lebendig.