Der Anruf

Gestern um 20.00 Uhr klingelte mein Geschäftstelefon. Eine freundliche, männliche, etwas automatisierte Stimme wollte mit mir, Claudia, über Gott reden. Er hat mein Gespräch mit Gott unterbrochen! Gott klinkt sich immer dann sofort aus, wenn technische Geräte klingeln, vibrieren oder Lichtsignale geben. Das zeigt deutlich, wie anmaßend Menschen sind. Sie kennen Gott. Sie möchten ÜBER ihn reden. Ist Gott damit einverstanden, dass irgendwer über ihn redet? Hat Herr oder Frau Irgendwer ihn gefragt? Nein. Ich unterhalte mich regelmäßig mit Gott: "Muss ich bald sterben?" Er antwortet bisher stets sportlich: "Nope." Ich stelle ihm immer die gleichen langweiligen Fragen, in der Art: "Werde ich untergehen, Schiffbruch erleiden, verarmen, am Hungertuch nagen?" Er antwortete bisher stets: "Nope." Einmal fragte ich Gott: "Wer genau bist Du?" Er stellte eine Gegenfrage und klang plötzlich ganz weiblich: "Was glaubst Du?" Ich glaube, dass Gott keine Schablone ist. Er ist für mich also kein ES. Ich persönlich denke, dass er kein Geschlecht hat. Eine lange Tradition der Bibelgesellschaften schreibt Menschen vor, dass Gott männlich ist. Wer hat je einen leiblichen Gott gesehen? Wer hat je gefühlt, dass Gott männlich ist? Wer hat seine tatsächliche Stimme gehört? Ich kalkuliere oft ein, dass Gott die pure Einbildung ist, eine Art Jenseits der Realität. Ich glaube und denke oft, dass Ketzer in seinem Namen ketzen und hetzen. Es sind Prozessbetrüger, die unterstellen: "Gott hat den Auftrag erteilt. Gott wünscht bestimmte Menschen nicht auf Erden." Ketzer und Hetzer besudeln quasi ihren eigenen Gott. Sie wälzen ihre Schuld auf ihn ab. Darum geht es. Das funktioniert noch heute. Menschen machen schräge Dinge in seinem Namen. Sie ersticken dabei ihren eigenen Gott. Das sind pathologische Momente, die einen Glauben erschüttern - den Glauben an die Menschheit. Die vergoldeten Kirchenvertreter müssten jetzt ein Hallelujah ausrufen und mir schreiben: "Amen. Gott hat Claudia Marschner geschickt, die Gott beleuchtet, wie sie ihn beleuchten soll. Er hat ihr den Auftrag erteilt." Natürlich ist Gott eine männliche Figur in der Bibel. Keine Frau dürfte Gott sein. Sie wäre nicht nur Sexualobjekt der Gläubigen. Sie wäre Familienoberhaupt in Glaubenshäusern. Mehr muss nicht ausgemalt werden. Gott. Die Ideen über Gott bringen neben wirklich gläubigen Menschen, die Trost und Hilfe und Beistand und Seelenfrieden suchen, viele "Auserkorene" hervor. Es sind verquirlte Narzissen, die in Nebenräumen blühen. Sie sind homophob, paranoid, leiden unter einem Verfolgungswahn; sie beschulden glückliche Menschen. In meinem Beruf wollen seit Jahren verquirlte Randfiguren landen und stranden, die ihre menschlichen Defizite auszugleichen versuchen. Sie glauben an nichts. Sie denken nicht. Sie sind in between. Sie wollen Trauer stören, sie wollen Arbeit stören. Sicher sind sie verirrte "Schäfchen" Gottes. Sicher schickt Gott meinem Bestattungsinstitut Prüfungen, um Pietätlosigkeit in reinster Form kennenzulernen. Gott hat sicher einen Plan für verquirlte Schafe. Es ist nur so! Gott weiß nichts davon. Er hat mir gesagt, dass viele Menschen falsches Zeugnis ablegen. Bon.