Schöne Bescherung

Heute ist Weihnachten und ich habe meine Räume dekoriert, weil ich Lust auf Dekoration hatte. Bei Manufactum kaufte ich mir vor Wochen zwei dicke Räucherbündel. Native American Incense. Weißer Salbei reinigt Räume, Lebewesen und sogar Gegenstände. Er bringt positive Energien in die Stube. Die amerikanische Zeder klärt den Geist, stärkt das Selbstvertrauen und räuchert negative Gedanken aus. Ich zündete beide zeitgleich an. Ein ungeheuerlicher Rauch entwickelte sich und ich atmete nach langer Zeit wieder tief durch - weil ich es tat. Die Duftkomposition war ein ziemlicher Hammer für Raum und Sinn. Ich ging aber auch wirklich in jede Ecke. Später merkte ich, dass die Räucherung meine Gedankenklingen schärfte. Meine Weihnachtsdeko stimmte nicht. Das fiel mir sofort auf. Am 24.12.21 kam Jesus zur Welt. Ich müsste eine große Krippe - mit installierter Kinderwiege - aufstellen. Ich wollte mein Bestattungsinstitut aber nie religiös färben, weil damit eine Moral einströmt, die ich nie verstanden habe. Beten, Fürbitten, Rosenkränze beten, um von einer Sünde befreit zu werden, das Klimpern und das Rascheln im Opferstock, im Klingelbeutel, während des Opferganges zum Altar. Gleichwohl bin ich nie aus der Kirche ausgetreten. Auch die Fünffachbesteuerung des Staates konnte mich nicht beugen. Die Geschichte ist für mich noch keine wirkliche Geschichte. Sie hat noch keinen Lauf genommen. Ich vermute, dass man den Ursprung der schlechten Erzähler dieses Landes - Journalisten, Politiker, Politische, Politisierte, Lehrer, Meister, Professoren, Trainer - noch immer in den Kirchen findet. Seit Jahren feiern Erwachsene angeblich Jesus Christus. Sie heben aber die Mutter Maria Gottes hervor. Die Geschichte von Jesus ergibt bis heute keinen Zusammenhang. Er kam auf die Welt, das wissen alle; und dann hat er enorm lange überhaupt keine Geschichte. Gleichwohl reden und schreiben Erwachsene über seine angebliche Geschichte. In Wahrheit tragen sie ihren Voyeurismus zur Schau: Die Kreuzigung, das Martyrium, die Passion, der Dornenweg, die Tortur, die Höllenpein. Es scheint, als sei die Geburt eines Knaben unwichtig, denn Jesus hat bis heute keine Kindheitsgeschichte. Was verbindet uns mit ihm? Die Folge der Treue zum Gesetz? Was tat Jesus als Teenager? Welche Ziele hatte Jesus? Wie hieß sein bester Freund? Schwärmte Jesus für ein Mädchen? Hatte Jesus einen Lieblingslehrer? Heilige Mutter Maria Gottes….Die übermächtige Mutter verbietet die menschlichsten aller Fragen. So klingt Herr Steinmeier, der die Stillen im Land lobt und hervorhebt. In seiner Weihnachtsansprache haben die Stillen keinen Mund. Sie glauben. Sie folgen. Sie diskutieren nicht miteinander. Sie debattieren nicht auf politischem Hochniveau. Sie sind, in der Sphäre von Herrn Steinmeier, einfach still, wie jene Nacht, in der Jesus zur Welt kam. Er wurde still in eine Krippe gelegt, bewacht von der stillen stillenden Mutter. Ein stilles Kind, dass in der Erzählung Erwachsener keine Kindheit hat. Gab es für diesen Knaben bereits einen Plan? War Jesus einverstanden mit einem Plan? War er ein stiller Knabe? Das kann nicht sein, denn am Ende wurde er bestialisch gequält! Oder… wurde er gequält, weil er still war? Eine Gesellschaft, die ausgebildeten und erwachsenen Unternehmer*innen Telefontarife mit hübschen Kinderspielen offeriert, kann das vielleicht nicht verstehen. Schöne Bescherung!