Demontage

Das Landgericht Wien hat den früheren Finanzminister Grasser am 4.12.20 zu acht Jahren Haft verurteilt. "Dem 51-Jährigen war vorgeworfen worden, dass er 2004 beim Verkauf von 60.000 Bundeswohnungen einem privaten Investor den entscheidenden Tipp über die notwendige Höhe eines Kaufpreises gegeben habe, um einen Mitbieter auszustechen. Im Gegenzug für den Hinweis sollen rund 9,6 Millionen Euro - ein Prozent des Kaufpreises von 961 Millionen Euro - in die Taschen der Verdächtigen geflossen sein. Grasser war von 2000 bis 2007 im Amt." Eine große politische Korruptionsaffäre findet ein Ende. Die lebendige, die reparierte, die montierte Demokratie Österreichs sendet lauteste Lebenszeichen. Berliner freuen sich; und Deutschland kann sich nicht darüber freuen. Das macht in einem Sozialstaat, Mitglied der EU, keinen Sinn. Woran liegt das? Ich habe heute in der Süddeutschen Zeitung die Headline und die erste Frage eines Interviews mit George Clooney gelesen: "Ich war immer bereit zu scheitern." Der Reporter, Max Fellmann, eröffnet: "Herr Clooney, gibt es Momente, in denen es nervt, George Clooney zu sein?" George Clooney antwortet: "Ich komme ganz gut damit zurecht, wieso?" Mehr muss ich nicht lesen, weil der erste Satz so wichtig ist, wie die ersten Minuten eines Films. George Clooney ist bekanntlich kein deutscher Schauspieler. Er ist US-Amerikaner. Und seine Gegenfrage, von der Süddeutschen stolz gedruckt, meint, dass ihm das Interview keine Freude bereitet. Ein deutscher Schauspieler hätte nach schlauen Antworten gesucht, vielleicht hätte er noch eingestreut, dass er die kapitalistischen Aspekte von Ocean's Eleven besonders ausarbeiten musste, um den Raub in einem Casino in ein aktuell politisches Licht zu spielen. Wild gestikulierend würde er auf die innige Zusammenarbeit mit dem Regisseur hinweisen, der mit all seinen Filmen stets versuchte, die eigene Muttergeschichte aufzuarbeiten. Max Fellmann will, in der Hochzeit des Gender mainstreaming, den Gender mainstreaming demontieren. Das verstehe ich nicht. George Clooney lebt(e) in seiner Ehe mit Amal Ramzi Alamuddin Clooney eindeutig die traditionell weibliche Rolle! The most sexiest man alive, Schauspieler auf roten Teppichen, für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Das ist auffällig, denn seine Gattin hat das Studium der Rechtswissenschaft am St. Hugh’s College in Oxford mit dem Bachelor of Laws abgeschlossen und einen Master of Laws an der NYU School of Law in New York erworben. Nach ihrem Studienabschluss war sie einige Jahre in der Kanzlei Sullivan & Cromwell in New York tätig. Anschließend arbeitete sie am Internationalen Gerichtshof in Den Haag, im Büro des Chefanklägers beim Sondertribunal für den Libanon und beim Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien. Seit 2010 ist sie als Rechtsanwältin in der Kanzlei Doughty Street Chambers in London beschäftigt. Sie ist spezialisiert auf Internationales Recht, Menschenrechte sowie Auslieferungs- und Strafrecht. Zu ihren Mandanten gehörten unter anderem Julian Assange, Mitbegründer der Plattform Wikileaks, Julija Tymoschenko, ehemalige Ministerpräsidentin der Ukraine, und Nadia Murad, jesidische „UN-Botschafterin des Friedens für die Würde der Opfer von Menschenhandel“ und Friedensnobelpreisträgerin. Daneben ist Mrs. Clooney als Beraterin für Regierungen und die Vereinten Nationen tätig. Sie spricht drei Sprachen fließend. Max Fellmann hätte George Clooney fragen müssen: "Wie leben sie in Ihrer Ehe die traditionell weibliche Rolle?" Wenn man gesellschaftliche Rollenbilder ändern möchte, wie die der Grace Kelly im Fürstentum Monaco, dann darf man sie nicht demontieren. Die reine Demontage ist - logischerweise - kein Konzept. Deutsche müssen das ändern.