Genie und Wahnsinn

Menschen hängen an der Formel Genie und Wahnsinn. Diese Kombination verspricht scheinbar immer eine Sensation. Die digitale Welt ist sicher voll davon. Natürlich sind Progammierer Genies. Autobauer sind Genies. Architekten sind Genies. Ärzte sind Genies. Deutsche Politiker feierten deutsche Milliardäre, die im Helikopter zur Arbeit flogen, Empfänge gaben, Jets und Yachten besaßen. Ein ehemaliger Autoverkäufer kaufte sensationelle Baumaschinen über Kredite, die er teils nicht kaufte; er verkaufte sie an Leasinggesellschaften, um sie zu mieten. Für die Kontrollen der Bank hat er einfach die Typenschilder der Baumaschinen ausgetauscht und immer die Menge Maschinen in seine Halle gestellt, die die Bank sehen wollte. Der Schneeball rollte damals 4 Milliarden D-Mark ein. Da jede Medaille zwei Seiten hat, ließen die immer steigenden Mieten die Bücher platzen. In diesem Fall wurden die Banken betrogen. Die damals guten Zinsen, 6-11 %, werden ein Trost gewesen sein. Dem badischen Genie ging es hinterher gar nicht so gut: "Es ist schon schwer." Seine politischen Freunde waren weg. Sie lernten nichts aus diesen ersten Schneeballsystemen. So gestaltete sich die Zukunft, die Gegenwart wurde. Politiker suchten die nächsten reichen Genies. Mein liebstes Beispiel für Genie und Wahnsinn ist Elisabeth Nietzsche. The Nietzsche nannte seine Schwester Lama. Sie nahm diesen Namen an. Heute wirkt das irgendwie prollig. Das bis heute in Akademien verehrte Genie konnte sich wohl nie selbst befreien. Als er erkrankte, pflegte ihn seine Schwester, bereitete ihn für ausgewählte Besucher auf, die das Genie sehen wollten. Sie liebte die Macht, weil sie mächtige Männer liebte; und so vergötterte sie Wagner, mit dem man sich noch heute in Bayreuth schmückt. Akademiker können einen Antisemiten kultivieren; er muss nur generös oder wahnhaft sein. Ich lehne ihn und seine Musik in Gänze ab. Nietzsche selbst formulierte revolutionär klare und einfache Sätze. Er war eben kein Akademiker. Seine Schwester war der wahnhafte Teil. Nach seinem Tod schrieb sie sein Werk >>Der Wille zur Macht<< um. Streng baute sie seine Aufzeichnungen um, strich Passagen, verstümmelte Texte, vereinfachte das Lesen. Nietzsche schrieb zum Beispiel über den Antisemitismus: "Was wäre der deutsche Geist, wenn wir den jüdischen Geist nicht hätten? Gar nichts." Seine Schwester ließ derartige Sätze weg. Ihre herausragende Einfältigkeit und ihre selbstbewusste Dummheit wurde die Vorlage für Blut und Boden. Hitler verehrte also eine junge Frau, die ihren eigenen Bruder bestohlen hat. Mit 54 Jahren stand eine Frau im Zentrum der Macht, die der Bruder abfällig Lama nannte. Hitler trauerte wie ein Sohn an ihrem Grab. Was sich ab 1901 abspielte, kommt heute heraus; und Nietzsche wird von Historikerinnen der arme Kerl genannt. Das seine Beziehung zur Schwester inzestuöse Stränge hatte, wird ausgerechnet bei Nietzsche verschwiegen. Genies müssen schlicht wahnsinnig sein. Andernfalls wären Portale im Internet langweilig. Wenige lehnen ein Konto bei Facebook ab. Die Wahnsinnigen sind zu interessant. Wenige lehnen sich gegen Youtube auf. Die Wahnsinnigen werden ausgestellt, wie der kranke Nietzsche von seiner Schwester ausgestellt und zur Besichtigung freigegeben wurde. Die damals Auserwählten wollten auch unbedingt das Genie sehen. Heute sah ich in der Zeitung ein Foto. Dokumentiert wird der Trauerzug für die Trauerfeier einer jungen Frau. Der Ehemann lief voraus und machte ein Selfie von sich und dem Sarg. Er weinte nicht. Die genial dumme Botschaft der Fotoredaktion muss man nicht erklären - oder?!