Das Meer und die Wellen

Die Trauer kommt immer in Wellen, die extrem hoch sein können, weil der Tod so groß, so mächtig und gleichermaßen so faszinierend wie das Meer ist. Unfassbar. Unvergleichbar. Unglaublich. Untragbar. Unmöglich. Unantastbar. Unerforschbar. Unerbittlich. Hinterbliebene treiben quasi in einer Nussschale über einen unbekannten Ozean. Kinder reiten oft schnell die tosenden und auch die sanften Wellen. Erwachsene machen oft den Fehler, dass sie den Ozean der Gefühle kontrollieren, gar zähmen wollen. Manchmal werden sie Entdecker: Wann schlafen Trauernde? Wer steuert dann ihr Boot? Schlafen Delphine? Sehen Trauernde Eisberge? Sehen sie vielleicht Haie? In welchem Boot sind sie unterwegs? In einem U-Boot? Wie viele Menschen sind an Bord? Formulieren Trauernde ein zutiefst persönlich individuelles Notstandsgesetz? Wer übernimmt das Ruder, wenn ein Hinterbliebener nach einem Todesfall selbst schwer erkrankt? Wer hat Atemnot vor lauter Angst, wenn eine Welle am höchsten aller Punkte bricht und mit aller Naturgewalt in das Boot stürzt? Wer schreit? Wer weint? Wer erzählt die merkwürdigsten Witze, um vom Thema abzulenken? Welche Witze sind es? Wer tröstet? Wer handelt mit der Sonne die Richtung aus? Ich stelle hier die kühne These auf, dass meine Hinterbliebenen genau wissen, dass ein Virus nicht in Wellen kommt. Ein Virus wird noch immer von Mensch zu Mensch übertragen. Auch AIDS reitet nicht in Wellen um den Globus. Bis heute infizieren sich Menschen. Das ist ein exorbitanter Unterschied. Deshalb brauchen wir auch keine Notstandsgesetze reloaden, die Herr Kiesinger von der CDU so dringend wollte, die glücklicherweise durch große und laute Proteste der Studentenbewegung, also der 68er-Generation im Keime erstickt wurden. Vielen Dank für diesen großen Dienst. Ungeheuerlich ist nicht nur das unflätige Benehmen der Politiker in der Corona- Pandemie. Ich erinnere hier an Herrn Steinmeier von der SPD, der sich ohne Maske in Südtirol, mit ebenso unmaskierten Musikanten, fotografieren lies. Damals, im August 2020 glaubte die Bevölkerung noch an einen echten Ausnahmezustand. In diesen Tagen fragt Herr Steinmeier tatsächlich: "Was muss denn noch alles passieren?" Die Frage stellt also der Mann, der sie beantworten müsste. Journalisten beschreiben Wellen. In welchen Booten sitzen sie? Wie hoch sind die Wellen? Treiben sie im Pazifik? Im Mittelmeer? Sie können den Lesern keinen Einblick gönnen. Man stelle sich kurz Jens Spahn in einer Pressekonferenz vor. Die Weltpresse verkündet sodann unisono, im Rausch der Wellen, dass Menschen bitte verstärkt den Erdbeer-Joghurt der Firma Müller kaufen sollen, weil der kurz vor dem Verfallsdatum steht. Wie läuft das ab? Ruft ein Rudi von der Firma Moderna den Jens an und bittet ihn um die Verkündung dieser Nachricht, weil er Angst hat, dass er mit dem Verfall der Impfstoffe Verluste macht? Sagt Jens dann einfach: "Okay, Rudi. Das mache ich gleich morgen." ? Da wir keine Notstandsgesetze haben, würde mich also eine explizit fachlich sachlich relevante Aussage interessieren - jenseits jeder Meinung! Denn immerhin sind Institutionen, die den Markt vor Korruption schützen sollen, die im Moment offenkundig schlafen, extrem teuer. Wenn wir diese Institutionen allerdings nicht mehr einsetzen wollen, dann sparen wir alle Geld; und jeder Konzern macht das was er gerne möchte. Die Gesellschaft spaltet sich nicht! Keine Sorge. Die Gesellschaft wird nur unglaublich schlecht und schlampig geführt. Der Schaden für Politiker wird sicher groß sein, denn zwischen ihren Worten und ihren Taten liegen Schluchten. Wenn man eine Flugbegleiterin im Notfall beobachtet, dann sieht man immer in das Gesicht einer echten Krisenmanagerin. Die Dynamik ihrer Stimme verändert sich. Anweisungen kommen klar, deutlich und präzise. Bisher sehe ich in der Politik keine Krisenmanager. Ich rief kürzlich im Impfzentrum Schöneberg an und fragte nach einem Booster. Meine erste Impfung dort - mit Johnson&Johnson - war im Juli 2021. "Johnson&Johnson war doch nach 4 Wochen schon unwirksam! Wir "ümpfen" jetzt nur noch BionTech." Gäbe es einen politisch kompetenten Krisenmanager, dann hätte mich dieses kostenpflichtige "Ümpfzentrum", welches meine kompletten Daten aufnahm, kontaktieren müssen, informieren müssen, rechtzeitig (!) auffrischend "ümpfen" müssen. Journalisten schreiben bis heute, dass Geimpfte ebenfalls ansteckend sind, dass der Booster nach 6 Monaten ratsam ist. Ich möchte mit einer Frage schließen. Wie oft werden sich "Geümpfte" boostern lassen? 6 Mal? 15 Mal?