Fehler

Ich habe nicht erst durch die Medien gelernt, Fehler einzubauen. Es macht Leser intelligenter. Einige Leser beobachten sicher, dass sie sich auf einen intellektuellen Höhenflug begeben. Wenn dem so ist, dann müssen sie an sich selbst arbeiten - an ihren eigenen sozialen Kompetenzen, an ihrem Hochmut, denn Hochmut produziert nicht nur Rassismus. Hochmut führt in die Verkommenheit. Wie verkommen deutsche Börsianer sind, zeigt die Tragödie in China. "Finanzwelt in Angst vor dem Coronavirus - was Sie als Anleger jetzt wissen müssen." Focus setzt diesen Bericht unter einen Bericht über die abgeriegelte Metropole Wuhan. Es handelt sich nicht um eine edel wertvolle Art der Verkommenheit, die sich an Kurzweiligkeit, Witz, Charme, Intelligenz, Frechheit, Kreativität und Großzügigkeit knüpft. Es handelt sich um eine peinliche Verkommenheit, die sich an Dummheit, Stumpfheit, Sucht und Unfähigkeit knüpft. Es zeigt, wie starr die Börse ist, wie einfältig Börsianer Beweglichkeit vorgaukeln. Geld kann nichts dafür. Geld macht nur Menschen verrückt, die ihren eigenen Wert nicht kennen. Bei einem Hubschrauberabsturz in Los Angeles sterben 9 Menschen. Der tote Kobe Bryant und seine tote Tochter sollen die Auflagen der Medien in die Höhe heizen. "Neue Infos zu Bryant-Absturz." Fotos von ihm und seiner Tochter. Gedenken für ihn und seine Tochter. Die Sportwelt trauert um den NBA Superstar. 7 Tote werden komplett ignoriert. Wie empathisch. Und dann wird das geschrieben, worum es eigentlich geht. Medien nutzen den Tod von Kobe Bryant um ihn - noch vor der Bestattung - zu demontieren. Die Hamburger Morgenpost zitiert eine flache Schauspielerin, die an der Twitter-Börse einen Höhenflug demonstriert, ohne ihren eigenen Wert zu kennen. Evan R. Woods schreibt: "Was passiert ist, ist tragisch. Ich bin untröstlich wegen Kobes Familie. Er war ein Sportheld. Er war außerdem ein Vergewaltiger. Und all diese Wahrheiten können parallel existieren." Der Redner könnte das als Intro für die Trauerfeier nutzen: "…Er war Vater, Ehemann, Basketballheld und Vergewaltiger…parallel…" Eine Schauspielerin, die ihren Wert nicht kennt, kann natürlich einen Block nehmen und Weltbilder malen. Ihre Verkommenheit schillert erst an der Börse Twitter. Pardon! Das hätte ich fast vergessen. Nach berliner Rechtsprechung muss ich als Bestatterin natürlich auf meine Art und Weise achten. Die Schauspielerin bekundet schließlich, dass sie untröstlich ist. Klar! Die soziale Floskel rechtfertigt die nachfolgende Leichenfledderei. Vielleicht bin ich für diese neue Welt zu gesund. Das räume ich schon ein. Ich bin zum Beispiel unheimlich tröstlich, dass Mr. Weinstein alt, arm, arbeitslos und gebeugt leben muss. Ich wäre nicht untröstlich, wenn der Fall der Fälle eintritt; und ich bräuchte keinen Twitter-Malblock für kuriose Weltbilder. Mein eigener Wert wäre dafür viel zu hoch. Heute rief eine Frau an: "Ja, wir haben bald 3 Todesfälle in der Freundschaft. Ich wollte mal fragen, wie teuer bei Ihnen eine Feuerbestattung ist. Vielleicht mit einer Rednerin, die da irgendwas am Grab macht?" Ich bot einen Termin zum Kennenlernen an. "Nein. Dann sitze ich nur bei Ihnen und muss nett lächeln und wieder gehen, falls es nicht passt." Laut berliner Rechtsprechung müsste ich nun geduckt ehrfürchtig meinen, dass meine Art nicht stimmt, weil ich als Bestatterin die Kultur der Abgestumpftheit übernehmen muss. Dafür liegt mein persönlicher Wert zu hoch. Es ist die Verkommenheit, die in den oberen Etagen kultiviert wird. Es ist die Verkommenheit, die dumm fordert, dass Menschen mit Selbstwert jene Verkommenheit tragen müssten.