Die Kirche im Dorf lassen
09/06/20
Berlin sollte ein Ort bleiben, an dem Religionen privat gelebt werden können. Amerika beweist, dass die Trennung von Kirche und Staat enorm wichtig ist. Es gibt Portale im Internet, die ihre Religion politisieren. Die Bilder von Donald Trump mit der Bibel in der Hand gingen um die Welt. Religiöse sind seine Wähler. In New Jersey kniete einer seiner Wähler auf einer Puppe, er dekorierte eine Trump-Fahne im Szenario und ein Plakat mit der Aufschrift: "All Lives matter." Dieses Szenario löst in mir keine Wut aus, weil seine "Botschaft" wirr ist. Wenn alle Leben zählen, dann kniet man schlicht auf keinem Leben. So ein Mann bildet seinen Sohn sicher an der Waffe aus. Nun komme ich auf das Portal eines Aktivisten, Vertreter der Black Excellence. Seine Follower sind nicht nur Afroamerikaner. Er postet einen Film mit jenem Szenario und nennt den Gezeigten einen Teufel. Er fragt: "Hat dieser Mann überhaupt eine Seele?" Die Masse kommt zu dem Schluss, dass die White Supremacy keine Seele hat. Ich würde Seelenlose dann aber nicht White Supremacy nennen. Bis hier bin ich bei der Black Excellence, bis die Hexenjagd beginnt: "Wir brauchen den Namen des Mannes." Schon zwei Kommentare später (kurios) schreibt ein Follower: "Der Mann arbeitet bei Fed Ex. Den Namen finden wir auch noch." Der Kontoinhaber ist stolz: "Das meine ich. Teamwork is Dreamwork." Ich steige in Gänze aus, lösche das Abbo. Warum? Der Film hätte gereicht. Die Hexenjagd ist mir zu religiös gefärbt; und ich muss davon ausgehen, dass hinter dem Konto ein Agent Provocateur steckt, der Zugriff auf Daten hat. Weiter vermute ich einen labilen Follower, der bei der amerikanischen Sozialversicherung oder Führerscheinstelle arbeitet, der Fotos abgleichen kann, der Daten also veröffentlicht. 215 Tsd. Follower jubeln. Die logisch ernsthafte Frage auf der anderen Seite der Erdkugel: Wie kann ein Staatsapparat - in einer funktionierenden multireligiösen Gesellschaft - Daten aller Menschen vor Hexenjagden aller Art schützen? Es gibt weder eine Black Excellence noch eine White Supremacy. Beide Gruppen haben bewiesen, dass es nicht mehr um einen Toten geht. George Floyd bekam einen goldenen Sarg. Sicher hat seine Gemeinde Trost und auch Geld gespendet. Die Äthiopische Gemeinschaft in Berlin sammelt ebenfalls sofort Geld für hinterbliebene Familien, um die teuren Flüge in die Heimat zu ermöglichen. Ich kann mich als Mensch mit dem toten George Floyd identifizieren. Mit einer Black Excellence oder einer White Supremacy identifiziere ich mich nicht. Beide Gruppen erhöhen sich; sie haben sich von Sterblichen distanziert. Wenn eine grauenvolle Statue in Bristol demontiert wird, dann ist das gut. Wenn Superstars anheizen und Millionen Menschen anfeuern, dann gehören sie zu einer der beiden Gruppen, die sich erhöhen, die sich die Finger nicht selbst schmutzig machen wollen, die hassen lassen.