Falsches Mitleid

Ich wurde glücklicherweise nicht zur Heuchelei erzogen. Ich bin damit ein zufriedener Mensch geworden; und ich bin damit ziemlich erfolgreich - natürlich nicht bei Heuchlern. Die dürfen mich gar nicht mögen, weil ich andernfalls ein unzufriedener Mensch wäre. Hier gewinnen quasi beide Seiten. Schlussendlich konnte ich Hinterbliebenen also stets genau erklären warum sie bei einem Trauerfall nicht heucheln sollten. In Amerika würde man sagen: "Don`t aspire to make a living, aspire to make a difference." Zahnloser Journalismus bremst mein Privatleben und mein Berufsleben empfindlichst. Er stört mich. Er ärgert mich. Carsten Maschmeyer zum Beispiel hat ein Buch über seine Tablettenabhängigkeit geschrieben. Er gehört zu den reichsten Männern in Deutschland. Er fiel mit seiner Firma AWD auf. Er fiel mit Kanzler Schröder auf. Er fiel mit Herrn Riester auf. Er fiel mit dem Wirtschaftsweisen Rürup durch die Gründung einer AG auf. Er fiel mit einem ehemaligen Chef der Commerzbank auf. Er fiel mit Herrn Christian Wulff auf. Er fiel mit Frau Ferres, seiner Gemahlin, auf. Er fiel als Investor für Gründer auf. Er sagte dem Handelsblatt, das tatsächlich über seine Sucht schrieb, dass er während seiner AWD-Zeit nie tagsüber Tabletten nahm. Er wollte, dass es seinem Aktienpaket gut ging - auch seinen Kunden natürlich. Wie beruhigend, dass ausschließlich am Abend vertilgte Tabletten eine Art Abendsucht verursachen. Alkoholiker haben ähnliche Argumente. Journalisten, die Carsten Maschmeyer portraitieren, klingen wie Co-Süchtige, die wollen, dass auch ich eine Co-Süchtige werde. Sie erklären mir, wann er süchtig wurde, wann er lallte, wie hoch er die Dosis schraubte, wie lange er zwischen Bett und Küche pendelte. Die FAZ drückt mir seine Suizidgedanken auf. Die erste Tablette nahm er 2003. Den Entzug machte er 2010. ES INTERESSIERT MICH NICHT! Es ist mir egal! Ich möchte so einen Schund nicht lesen müssen, der mich runterzieht, der meine Dynamik hemmt. Es ist journalistischer Schund, der mich in eine Muttirolle bringen soll, die Verständnis haben muss. Er hat die Tabletten so gierig konsumiert, weil er den Hals nicht vollkriegen konnte. Er ist machtsüchtig und er ist geldsüchtig. Typisch esoterisch manipulativer Schund: Oh, Frau Marschner ist so hart. Sie ist eine Haterin, so ungechillt… Fakt ist, unverhohlen teenage dokumentiert, dass gutgläubige Anleger offenkundig einem Tablettensüchtigen ihr Geld anvertraut hatten, einem Junkie, einem Typen, der später nur noch lallen und unkoordiniert laufen konnte. Ein Typ, wie tausend Typen, die ich überall auf der Straße treffen könnte - wenn ich wollte. Der Vertrauensverlust seiner Anleger wird einzig nachhaltig bleiben. Was bedeutet es, wenn viele Menschen das Vertrauen verlieren? Ein von Sucht zerfressener Mensch kann das nicht wissen. Er ist nicht fähig! Ich kann aber definitiv von Journalisten erwarten, dass sie ihren Biss bewahren, ihren Lebenshunger und ihre Liebe zur Wahrheit; denn toter Journalismus verirrt sich, läuft nur noch aus und fordert falsches Mitleid. Es wäre zudem ein schlechtes Vorbild für meine Kunden, die nicht und niemals heucheln dürfen. Zudem verspannt mich diese Art von Journalismus. Anders gesagt: Ich verspanne Hinterbliebene nicht mit falschen Kartentexten oder mit verheuchelten Texten für Kranzschleifen.