Tradition und Anarchie

Das stressigste Drahtseil, über das ich mit der Gründung meines Bestattungsinstitutes laufen muss, ist jener Akt, der verdeutlichen muss, dass ich kein buntes Bestattungsinstitut gründete, um die Traditionen eines Landes auszuhebeln. Tatsächlich kann ich auf diesem Drahtseil beobachten, dass der Politikbetrieb in Deutschland die Seiten gewechselt hat. Während die Bäcker ihre vielfältigen speziell deutschen Brote bis zum UNESCO-Weltkulturerbe gebracht haben, zersetzten Politiker allmählich das soziale System. Das Sterbegeld der gesetzlichen Krankenkassen wurde eingestellt. Das stellte ärmere Menschen in treibenden Sand - dazu zählen auch Studenten. Auf diesem Drahtseil ist heute deutlichst zu erkennen, dass die Kirchen, reichste Unternehmer des Landes, ihre Friedhöfe verwahrlosen lassen. Personalkosten, also traditionelle Dienstleistung, wurde eingespart. Die Stadtverwaltung bildet sich viel ein. Sie bildet allerdings nicht aus. Die Friedhofskapellen werden teilweise nicht beheizt. Die Mitarbeiter werden sich selbst überlassen. Ich habe noch nie eine Putzkolonne gesehen, die eine Trauerhalle von Spinnweben befreite. Organisten müssen teilweise über Brettertreppen steigen, um an ihr Instrument zu gelangen. Gefährlich wurde es, als städtische Krankenhäuser ihre Pathologien an hausfremde Dienstleister übergaben. Die ärztliche Schweigepflicht, die Einsicht in Leichenschauscheine, wurde völlig ungeprüft aus den Händen gegeben. Die Vergabekammer in Berlin prüft keine Bewerber! Die Anarchie wurde von verschraubten Konservativen übernommen, die nicht nur ein Stück vom Kuchen haben möchten. Sie wollen die ganze Bäckerei. Es kommt nicht von ungefähr, dass ein FDP-Landesvorsitzender in meinem Berufsbereich Fuß fassen konnte. Übrigens wissen die wenigsten Menschen, dass Innungen öffentlich-rechtliche Anstalten sein sollen, die der Handwerkskammer unterstellt sind. Sie sollten weder Börse noch Herren-Häkel-Vereine sein. Ich selbst bin vor Jahren aus der Innung ausgetreten. Mich öden Gruppen an, die so ganz ausgeflippt locker und anarchistisch rüberkommen wollen, womöglich meinen guten Namen dafür vermanschen, um Traditionen zu zerstören. Ich brauche keine klebenden Sticker an meinem Geschäft, um Kultur zu transportieren, die in den Sand gesetzt wird. Insofern hat Christian Lindner aus der FDP einen muffigen Herren-Häkelclub gemacht, der einen D-Day plant, der Torpedos vorbereitet. Herr Lindner wollte eine Ampel sprengen. Dafür haben sich Menschen früher ein A auf den Rücken ihrer Lederjacken gesprüht. Sie warfen Mollis und sie rammten auch Ampeln. Die Konservativen in Deutschland sind die neuen Anarchisten. Sie haben Geld. Sie können offenkundig nicht einmal eine Bäckerei führen. Sie können aber mit unserem Steuergeld eine tradierte Demokratie von innen heraus zersetzten und zerstören. Diese Politik ist sogar in dieser meiner Hausanlage abzulesen. Ich investierte in einst klare Strukturen, die, bis zur traditionellen Buchhaltung, von einem Herren-Häkel-Club zersetzt werden. Die Teilungserklärung soll unter einen Teppich geschoben werden. Verwalter müssen keine Verwalter sein. Die Hausgelder sollen neuerdings auf private Konten fließen. Spießer wollen auch mal Hausbesetzer sein. Sie glauben, dass sie weltoffen sind. Das glauben sie wirklich! Sie häkeln sogar eine weltoffene Buchhaltung, die es nie gab. Die traditionelle Buchhaltung in Deutschland ist immer kaufmännisch. Heute ist sogar die Buchhaltung anarchistisch. Der Grundtenor dieser halbherzigen Ideologie ist immer gleich. Wer nicht mitmacht wird auf Versammlungen traditionell geächtet, muss aber die Scheiße bezahlen. Insofern muss Frau Wagenknecht eine traditionelle Debatte führen, die im Grunde amerikanisch ist. Ich selbst muss für ein paar Jahre den traditionellen Teil der Bestattungskultur retten und Iris Berben bleibt die wichtigste Rebellin in diesem Land. Klar politische Zugpferde bleiben die Bäcker, die ihre Spezialitäten, ihr Können, bis nach Brasilien befördern. Wir bleiben also weltoffen!