Lernen und lehren

Die lehrreichste Zeit ist meist eine extrem schlimme Zeit. Fail big ist keine Idee, die für Deutschland passt. Wirecard nahm viele zahlende Menschen an Bord, die in den Abgrund gesteuert wurden. Die Macher selbst flogen mit Fallschirmen, die in bestimmten Anzügen immer eingearbeitet werden. Menschen in Deutschland verachten Betrüger. Gleichermaßen ist die Beobachtung lehrreich. In jungen Jahren arbeitete ich in einer berliner Firma, eine Generalvertretung für Kosmetikprodukte. Diese Firma hatte etwa zwölf Mitarbeiter. Mein Lehrmeister war ein humorvoller Lohnbuchhalter, der schnell und federleicht Worte in Ziffern verwandelte. Er präsentierte stets ein logisches Ergebnis. Die Außendienstmitarbeiter betreuten Kaufhäuser, Parfümerien, Drogeriemärkte und Kosmetikinstitute. Das Stammhaus in Baden-Baden vertraute uns. Wir arbeiteten im DOS-Modus. Sämtliche Computerbefehle trugen wir im Kopf. Die Umsatzlisten, die an Tapeten erinnerten, wurden über einen riesigen Nixdorfdrucker ausgegeben und dann per Post an das Stammhaus gesandt. Die Firma lief erstaunlich gut. Der Inhaber und seine Gattin hätten sich dauerhaft am heimischen Pool bespaßen können. Eines Tages tauchten jene Geschichten auf, die kommen, wenn das Geld zur Last wird, wenn Eheleute selbst zur Last werden, wenn der Pool zur Last wird. Diese Geschichten entstehen in einer Krise, in einer Midlife-Crisis. Das eigene Haus wirkt immer kleiner und so müssen die Geschichten immer größer gedacht werden. Der humorvolle Lohnbuchhalter fackelte nicht lange. Er organisierte "Fallschirme" für die Crew, die, in welchem Fall auch immer, nicht ohne Löhne arbeiten sollte. Die Geschichten des Inhabers wurden wöchentlich absurder und seine Autos wurden immer größer. Wie ein Süchtiger involvierte und animierte er. Schon bald fuhr jeder Außendienstmitarbeiter einen schnittigen BMW mit feinster Ausstattung. Eines Tages meldete sich die Chefetage des Stammhauses Baden-Baden. Freundlich forderte das Mutterschiff fehlende Schecks von Kaufhäusern an. Der sonst so humorvolle Buchhalter wurde plötzlich extrem ernst. Er war der Co-Pilot, der Sturm kam direkt auf uns zu und ich war nur ein Küken mit Fallschirm. Der Firmeninhaber wusste genau, dass seine Geschichten nicht mehr zu den Umsatzzahlen passten. Und so ging er auf eine peinlich aggressive und gigantische Erzählstrecke, die über den Welthandelsplatz Leipziger Messe (Mustermesse) direkt nach Russland führte. Der Buchhalter stellte die Firma sofort auf Notbeleuchtung um, informierte die Hausbank und das Mutterschiff; und dann gab er allen Mitarbeitern Anweisungen für den gemeinsamen Sprung aus der Maschine. Zum ersten Mal in der Geschichte Deutschlands - das behaupte ich hier tollkühn - haben Angestellte gemeinsam die Reißleine gezogen, weil sie deutlich erkannten, dass der Firmeninhaber krankhaft, wahnhaft und völlig verantwortungslos agierte. Was kann ich durch diese unschöne Erfahrung sofort erkennen. Unsere Regierung handelt wie eben jener Firmeninhaber. Das Kanzleramt ist größer als das Weiße Haus. Die Autos werden immer größer. Der Kanzler hat offenkundig keine gute Buchhaltung, die seine Vergesslichkeit dokumentieren kann. Die Geschichten in der Regierung werden immer aggressiver und größer. Verstrickungen, Verfilzungen, Verschwägerungen. Diese Regierung, die regieren sollte, will nur noch Geld generieren, um es durch einen Ventilator zu pusten. Steuern, Verschiebungen, Verschwendungen, Kürzungen, Börsengänge, Verkauf ganzer Städte, manische Rückkäufe…So geht das weiter und weiter und weiter. Und niemand von der Besatzung zieht die Reißleine? Das ist kurios.