Sprache, Berufssprache, Körpersprache, gendergerechte Sprache

Ich denke, Menschen lernen viele Sprachen in ihrem Leben und sie werden nicht selten missverstanden. Missverstehen wollen könnte man heute fast schon eine eigene Kultur nennen. In meinem Beruf verbieten sich viele Worte. Bestatter verbuddeln keine Särge. Sie verbrennen keine Menschen. Sie schieben Särge nicht in Öfen. Sie graben keine Löcher für eine Beerdigung. Auf meiner Terrasse stehen nicht selten ignorante Menschen, die nie grüßen, die ihre Arme verschränken, wenn ich sie ernsthaft darum bitte, die Terrasse zu verlassen. Trauernde interessieren sich schlicht nicht für einen laut verkündeten Heißhunger auf Pizza. Im Sommer sitzen Menschen auf der Eingangstreppe. Sie rücken keinen Zentimeter zur Seite, um meine Kunden passieren zu lassen. Sie brauchen klare und deutliche Ansagen, damit sie beleidigt spielen können. Meine persönliche Lieblingssprache ist die direkte Sprache. Diese Sprache versucht, ein pseudopsychologisches Sprachkarussell zu vermeiden, denn ich trete an, um zu überzeugen. Ich trete nicht an, um zu gefallen. Womit ich bei der gendergerechten Sprache wäre. Seit meiner Kindheit muss ich Diskussionen über Geschlechterrollen führen. In meiner Kindheit konnte sich jede Verkäuferin laut darüber aufregen, dass meine Oma mit mir in die Jungenabteilung eines Kaufhauses gegangen ist, weil ich ein bestimmtes T-Shirt tragen wollte. Zu Beginn meiner langhaarig lockigen Jugend wurde ich auf jeder öffentlichen Toilette und in jeder Sportkabine gefragt: "Bist Du hier richtig?" Ich weiß nicht, wie oft ich vor Scham in den Boden gesunken bin. Heute glaube ich, dass es Fremdschämen war. Als erwachsene Frau machte ich mit meiner Schwester Urlaub in Österreich. In dem Hotel war meine Schwester Stammgast. Der gesamte Service kannte ihren Lebenspartner und trotzdem kamen süffisante Bemerkungen, als meine Schwester mich als ihre Schwester vorstellte. "Natürlich…die Schwester." Da sich das Hotel mit vielen Sternen dekorierte, fand ich dieses Benehmen unverschämt. Eines abends saßen wir im Restaurant und eine Gruppe von Frauen rief über Tische hinweg: "Lesbische Weiber." Sie lagen bildungssprachlich natürlich weit hinter Falco und Lisa Eckhart. Meine Schwester spendierte ihnen über den Kellner billige Schnäpse und einen Rauswurf. Annie Lennox wurde von lesbischen Frauen vergöttert. Sinéad O' Connor wurde angebetet. Die Glatze für Frauen und die Unisex-Mode hatte die Türen bereits für alle Menschen geöffnet. Irren ist menschlich! Gestern ging ich ins Bauhaus. Ich fragte an der Info nach einem Elektroartikel. Der Mitarbeiter nickte freundlich und rief zu einem Kollegen: "Micha! Der Herr möchte eine Fassung für den Außenbereich." Ich setzte meine Stimme tiefer und bedankte mich kernig. Mein Nachbar lästert über mich und behauptet, dass ich wie ein Mann aussehe. Er lästert mit jener Nachbarin, die Pfeife raucht. Pink wurde, vor ihrer Ehe, bei einer Pressekonferenz tatsächlich gefragt: "Are you gay?" Die Frage in der angeblich stets kultivierten Sprache fand ich unerträglich dumm. Sie antwortete großartig mit der Gegenfrage: "Do you want it?" Ich bin mir nicht sicher, wie eine (gendergerechte) Sprache in einer ausschließlich vorschnell urteilenden Gesellschaft, die alle Prozesse abschafft, funktionieren soll.