Die Kunst und das Leben
07/01/21
Die Kunst, die Künstler erklären das Leben. Sie erklären Religionen. Sie erklären Politik. Sie erklären den Tod. Die Kunst wird deshalb abgeschafft, weil sie eine reine und fließende Sprache spricht. Man könnte diese Sprache auch Geistsprache nennen. Ein Bild erklärt sich. Eine Musik erklärt sich. Jazz ist eine Sprache, die ich nie verstanden habe, die ich nicht lernen kann. Soul ist eine Sprache, die ich gut verstehe. Sie fließt über und erklärt, dass zum Beispiel türkische Musik ebenfalls Soulmusik ist. Seele in der Musik ist keine amerikanische Erfindung, gleichwohl wird sie dort gefeiert und in die Welt befördert. Kunst ist für meinen Beruf ebenso wichtig, wie Religionen, wie Traditionen. Sie gehört zu den Geistsprachen. Nicht der Tod zog mich in meinen Beruf. Der Tod führte mich in die Kunst; und die Kunst führte mich in meinen Beruf. Die Musik nach einem Todesfall ist heilend. Besuche in einer Kunstausstellung sind heilsam. Sie sind auch dann heilsam, wenn man nichts von Kunst versteht, nicht weiß, welcher Künstler ein Bild gemalt hat. Kunst ist ein Duft, der sich verströmt. Der Besuch in einer Kunstausstellung gefällt dem System nicht. Also wird sie ausgelacht - die Kunst. Mit ihr werden natürlich auch Religionen verlacht. Kunst ist immer auch eine Ausdrucksform der Kirchen. Marc Chagall gab der Bibel eine Bildsprache, eine Geistsprache. Es sind nicht die Bestatter, die Hinterbliebene retten. Es waren immer die Künstler, die Hinterbliebene am Leben hielten. Der amerikanische Filmemacher Darren Aronofsky machte mir mit seinem Film >Requiem for a dream< persönlich klar, warum der Tod die Kunst so dringend braucht. Eine auf Dauersonne trainierte Gesellschaft kann in der Dunkelheit, in der Einsamkeit, in der seelischen Klemme nur Drogen und Tabletten nehmen. Der Tod ist ein schrecklicher Abgrund. Diese Abgründe können nur Künstler erklären. Sogar Therapeuten nutzen die Kunst, die Bildsprache, die Geistsprache, um eine seelische Not zu lindern. Es ist in diesen politischen Tagen schon eigenartig, dass Joe Biden wieder ein >Requiem for a dream< predigt, das US-Amerikaner nicht befreien wird, nicht demokratisieren wird. Es wird die seelische Klemme nur noch schlimmer machen. Trump störte das Requiem gewaltig. Er war ein Störer, ein grober ungehobelter Störenfried. Wie kommen Amerikaner durch so eine Zeit? Reden sie über den Tod? Nur, wenn die Toten wieder Helden sind. Reden sie über ihren Kummer? Erst, wenn sie wie Phoenix aus der Asche steigen und Hollywood einen Blockbuster daraus ziehen kann? Reden sie über Armut? Erst, wenn sie steinreich sind. So geht das weiter und weiter, bis die Menschen ins Capitol laufen; und eigentlich nicht mehr wissen, was sie dort suchen. Deutsche Medien, die es besser beobachten könnten, nennen diese Menschen MOB. Das ist nicht die Sprache, die die Kunst spricht.