Der ungepflegte Apparat

Ich stelle in meinem Berufsbereich fest, dass der städtische Apparat extrem ungepflegt ist. Ein ungepflegter Apparat entsteht, wenn Vorgesetzte ihren Arbeitsbereich nicht bestellen möchten. Mitarbeiter sind immer nur so gut, wie die Vorgesetzten selbst. Die Räume werden nicht gepflegt, die Kleidung wird nicht mehr gepflegt, die Berufssprache wird nicht mehr gepflegt. Am Ende werden dann auch die Kunden nicht mehr gepflegt. Ich höre bereits am Telefon, welche Dienststellen verrotten und welche Dienststellen rundum gepflegt werden. Das Thema Sachkunde ist natürlich in einer Pandemie äußerst wichtig. Ich buche bei einem Friedhof in Berlin-Schöneberg eine für Fachleute simple Trauerfeier, eine sogenannte Sargfeier, eine Trauerzeremonie ohne eine unmittelbar anschließende Bestattung. Schöneberg! Ein Bezirk der Akademiker, die sich seit Jahrzehnten streitbar zeigen. Einst der Bezirk des Bürgermeisters. In Schöneberg lebte Marlene Dietrich, David Bowie und Iggy Pop. Sprache und Wissen sind also ein fester Bestandteil dieses Bezirks. Ich höre am Telefon die ungepflegte Stimme einer städtischen Mitarbeiterin. Sie klingt fettig, fast erwartet man ein Rülpsen: "Es dürfen nur 30 Gäste zur Trauerfeier kommen. Wir sind hier kein Bazar und auch kein Restaurant. Im Außenbereich darf kein Gast sein." In der Sprache liegt die Aggression einer Frau, die in einem ungepflegten Apparat wirkt. Sie klingt herablassend, dem Thema abgewandt. Nun erlebe ich auf knapp 200 Friedhöfen Bestattungen und bin irritiert, denn die strengen Corona-Gesetze haben sich geöffnet. Mich lässt das untrügliche Gefühl nicht los, dass diese ungepflegte Stimme eine Freude an Machtausübung empfindet. Der Hinterbliebene ist ihr egal. Seine Verfassung und seine Gesundheit interessieren diese fettige Stimme nicht: "Frau Marschner, wir haben hier interne Absprachen, die wir mit den Bestatterkolonnen abstimmen." Bei dem Wort Kolonne merke ich, dass die schnalzende Stimme keiner Fachfrau gehört. Schließlich hat sie die Bestatterin in der Leitung; und ich habe keine Kolonnen. Ich habe Geschäftspartner und Kollegen. Im Fokus habe ich die Wünsche meines Hinterbliebenen. Die pampige Stimme hinterlässt einen Schmierfilm und so wird mir leicht übel. Sie legt den Hörer einfach auf; und so rufe ich bei der Polizei Berlin an. Eine gepflegt und wache Stimme begrüßt mich. Ich erkundige mich nach Recht und Ordnung. Und prompt bekomme ich eine in Gänze unbefangene, kompetente und äußerst gepflegte Antwort: "Moment Frau Marschner. Ich sehe rasch nach. Ah, hier habe ich den Friedhofsbereich: §11 Abs. 6 SarsCov II Impfschutz. 100 Gäste im Freien mit Maske. 50 Gäste in der Trauerhalle. Singen dürfen die Gäste leider noch immer nicht." Einleitung, Hauptteil, wir verabschieden uns freundlich und kultiviert. Wie einfach das Leben ist, wenn man Gesetze kennt und sie einhält. Was sind also bitte interne Absprachen mit Bestatterkolonnen? Was soll das sein? Ein Kontest der hübschen Nasen? Der ungepflegte Apparat birgt die Gefahr einer unbeachteten Radikalisierung. Ich finde es so ungeheuer dummdreist, dass mir eine städtische Stimme von internen Absprachen berichtet, also von eigenen Gesetzen neben den Gesetzen! Wohlgemerkt schreibe ich hier nicht über einen privatwirtschaftlich geführten Supermarkt.