Berlin
04/01/20
Für mich ist es völlig unverständlich, dass Politiker, also Menschen, die vor Jahren nach Berlin kamen, die in dieser Stadt studierten, in dieser Stadt Politik machen dürfen, die betonen, dass sie seit Jahren in Berlin leben, also in jener Stadt, die immer den Arbeitern gehörte, in der nie der Adel seine Spuren hinterließ, Arbeiter bis heute nicht verstehen. Sie müssen jahrelang die Hausmeister in ihren Wohnhäusern ignoriert haben. Sie müssen jahrelang die Kfz Mechaniker, die Fahrradmechaniker, die Zweiradmechaniker ausgeblendet haben. Sie müssen die Schuster, die Zeitungsboten, die Änderungsschneider, die Arbeiter in den chemischen Reinigungen, den Gemüsehändler, den Bäcker, den Fleischer als coolen Schmuck für sich selbst benutzt haben. "Seht alle her! Ich bin DER Politiker in Berlin-Kreuzberg. Ich bin kein Sohn des Mittelmaßes. Die Arbeiter dekorieren mich." Der einäugige König unter den Blinden gehört zur kleinen Herrenrasse. Denn wer feiert seinen Geburtstag und läd den Hausmeister ein, den man viele Jahre kennt, dem man seinen Wohnungsschlüssel anvertraut, wenn der Heizungsmonteur kommt? Zum Geburtstag kommen die alten Studikollegen, höchstens die Nachbarn. Wenn sie wichtige Berufe haben, dann müssen sie unbedingt einen Migrationshintergrund haben. Sie sind das Berliner Collier, um das weiße Hemd ohne Krawatte tragen zu können. Kein Mensch würde zur Beerdigung seines Bezirksschornsteinfegers gehen! Am Ende wollte man ihn nur begrabbeln: "Glück hat er uns eigentlich nie gebracht." Berliner Hausmeister nahmen ein Haus als das ihre an, identifizierten sich mit einem Gebäude: "Wie kommt sie jetzt auf Hausmeister? Den haben wir doch rausgeworfen. Seine Wohnung war zu billig. Seine Arbeit war zu teuer. Und! Im Grunde war er faul - auf unsere Kosten!" Wer wollte also zur Beerdigung eines faulen Hausmeisters gehen, der auf Kosten der Gemeinschaft in einer zu billigen Wohnung lebte? Kein Mensch. Wenn Politiker, die eventuell Hobby-Politiker sind, in einer Diskussion über DAS Gefühl der Arbeiter reden, dann wissen sie nicht - in Berlin lebend - wovon sie reden. Arbeiter fühlen sich nicht abgehängt. Sie werden abgehängt. Nicht nur das! Die Mittel, mit denen sie abgehängt werden, basieren auf Rufmord. Wenn man also Bücher gegen den Hass schreibt, mangels Empathie nicht erkennt, dass der lästig kostenaufwändige Pöbel abgehängt wurde und wird, dann kann man jenen Pöbel nicht erneut diffamieren! Dann kann man diesen kostenintensiven Pöbel nicht darum bitten, jene Migration zu reparieren, die innerhalb einer Stadt, auch eines Landes erfolgreich zerstört wurde und wird. Eigenwillig ist die Tatsache, dass dieser Weg der Diffamierung Rassismus enorm fördert, denn der eventuelle Migrationshintergrund eines Hausmeisters spielt keine Rolle mehr. Das nennt man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.