Stille Gedenken aus der Ferne

Welt-Holocaust-Forum klingt kühl. Medien haben noch immer Angst vor der Stille: "Es soll ein Tag der großen Gesten werden." Gedenkveranstaltung klingt distanziert. Umschrieben wird die Erinnerung an die Befreiung von Auschwitz vor 75 Jahren. Das Gedenken wurde heute in Yad Vashem zelebriert. Die Süddeutsche Zeitung stellte eine kostenlose Live-Übertragung online. Das ist Zukunft für Menschen, weil bei diesem Gedenken auch die armen Menschen der Welt sehen konnten. Die Holocaust-Leugner sagen mit diesem Gedenken, dass Präsidenten der Welt vor 75 Jahren ein Theaterstück einstudierten, um es auch heute in Jerusalem aufführen zu können. Es war ein Gedenken für die Toten und für die Überlebenden. Es war keine Verschwörungsorgie. Niemand wollte Deutsche in den Boden rammen, sie bremsen, hindern oder strangulieren. Amerika ließ den Präsidenten nicht anreisen. Sein Vize sprach. Für Deutschland reiste nicht Herr Gauland an. Als Herr Steinmeier aber an das Rednerpult gebeten wurde, stellte ich die Live-Übertragung ab. Und dann dachte ich an Hannah Arendt, die den Eichmann-Prozess dokumentierte, ihn skandalös anders beschrieb. >Die Banalität des Bösen< beschreibt den Mann, der nur Anweisungen ausführte, nur ein Rad im Apparat war, der seine Arbeit nicht verweigern konnte, der nie selbst 6 Millionen Menschen tötete, der keine moralische Verpflichtung hatte, weil er, als Opfer des Krieges, Befehle ausführen musste. Hannah Arendt nannte Eichmann einen Clown, einen Hans Wurst. Menschen unterstellten ihr damals, dass sie ein Monster verteidigen wollte. Günter Gaus erinnerte sie in einem späteren Interview daran, dass sie für ihre Ausführungen zum Eichmann-Prozess heftig kritisiert wurde. Hannah Arendt antwortete ihm: "Ja. Nun. Sehen Sie. Das kann ich nicht ändern." Ihre Ausführungen sind bis heute enorm wichtig und bahnbrechend. Deshalb wollte ich die Rede von Herrn Steinmeier nicht hören, weil der Apparat noch heute anfällig ist; es gibt dort auch heute keine Verantwortlichen. Der Mantel des großen Apparates wärmt den politischen Kern. Thilo Sarrazin ist Mitglied der SPD. Im Jahr 2008 rechnete er Arbeitslosen vor, wie sie sich mit 4 Euro täglich ernähren könnten. 2009 erklärte er, dass türkischstämmige Menschen, durch die hohe Geburtenrate, Deutschland erobern. 2010 schrieb er >Deutschland schafft sich ab<<. Seine genetischen Thesen waren nicht zweideutig. Seine Thesen zur Entwicklung verschiedener Bevölkerungsgruppen, die den Intelligenzdurchschnitt in Deutschland versenken, zwangen Herrn Gabriel nur theoretisch. Er forderte Herrn Sarrazin auf, die Partei zu verlassen. Er verlässt sie heute. Seine Bücher hatten eine Millionen-Auflage. Mitglieder von Combat 18 waren sicher begeistert. Herr Seehofer von der CSU verbietet erst heute Combat 18. Ein noch immer anfälliger Apparat, der Verantwortung kategorisch ablehnt, wird sich logischerweise nicht selbst aufräumen. Schließlich ist niemand zuständig. Hannah Arendt wurde auf dem Friedhof in Annandale-on Hudson im Bard College beerdigt - außerhalb von New York. Auf ihrer Grabplatte müsste stehen: Niemand hat das Recht zu gehorchen.