Optimisten dürfen nicht sterben

Elias Canetti, sein Name dürfte heute nur noch irgendwie bekannt vorkommen, war ein bulgarisch-britischer Schriftsteller, der sich selbst bescheiden als Dichter ohne Werk bezeichnete. Heute dürfte klar sein, warum er ein Leben lang gegen den pessimistischen Tod anschrieb. Ich vermute, Elias Canetti schrieb eigentlich gegen das allgemeine Vergessen an. Er selbst starb 1994 in Zürich. Meine Generation hat ihn nicht mehr transportiert. Heute allerdings, im Zeitalter der Digitalisierung, müsste sein Buch "Masse und Macht" erneut besprochen werden - noch bevor eine Herrschaft aus den Menschenmassen den Massemensch hervorbringt. Es ist eigenartig, dass der Literaturnobelpreisträger in Deutschland generell kaum beachtet wurde. Der Mensch, so Canettis These, überwindet nur in der Masse seine Todesangst, und diktatorische Macht hält sich nur durch Massen an Toten: "Nichts fürchtet der Mensch mehr als die Berührung durch Unbekanntes." Sein Buch entstand unter dem Eindruck der Nazi-Herrschaft. Es ist aber nicht nur ein Menschheits-Buch gegen den Faschismus. Es ist das Buch eines Optimisten. Es ist ein Buch, das jede Form von Herrschaft anspricht! Olaf Scholz müsste dem Messenger-Dienst Telegram wenigstens einen Zivilcouragepreis überreichen. Laut Business Insider kooperiert der CEO nicht mit Geheimdiensten. Pawel Durow zieht 500 Millionen aktive Nutzer auf Telegram. "Alles Islamisten, Hildmänner, Querdenker und Terroristen." Herr Durow stammt aus Russland. Er hat Edward Snowden einen Job angeboten. Autsch. Das ist in Deutschland nicht angesagt. Warum eigentlich nicht? Der Spiegel nennt Telegram "Das Darknet für die Hosentasche". Auch Sascha Lobo schrieb für den Spiegel etwas über Telegram. Sascha Lobo steht aber nicht für fachliche Kompetenz im Bereich Journalismus. Auf Wikipedia steht tatsächlich: "Lobo hat nach eigenen Angaben eine AD(H)S-Diagnose." Sinnigerweise wird dann erklärt, welche Ehefrau seinen Zunamen trug und heute trägt. Er ist Blogger. Gute Journalisten gibt es nicht wie Sand am Meer. Die Medien haben vor dem Untergang in der Masse Angst. Sie wollen auffallen - da passt ein roter Iro ganz gut. Die Angst vor dem Untergang ist übrigens unbegründet. Viel wichtiger ist der Verplapperungsmechanismus in den Medien. Facebook und WhatsApp sind allein deshalb gute synthetische Freundschaftsmaschinen, weil sie mit Geheimdiensten und mit der Polizei arbeiten? Das befördert aber die Wahrheit aus jenen Verschwörungstheorien, die als Quatsch dargestellt werden. Nachdem Prof. Miriam Meckel den Unterschied zwischen Gedanken und Taten öffentlich genau erklärte, kennen wir also den Unterschied zwischen Messenger-Diensten und Flughäfen. Einer der größten Vorteile im Lockdown ist, dass 500 Millionen Menschen weltweit über Telegram kommunizieren können. In der Welt können sich Menschen unüberwacht ein Frohes Weihnachtsfest wünschen. Sie können sich natürlich auch unüberwacht heftig streiten. Pubertierende können sich sogar unüberwacht beschimpfen. Gleichermaßen, und das ist meine persönlich größte Freude im Lockdown, ist es Schmugglern nicht mehr so einfach möglich in Flugzeuge zu steigen, um Elfenbein, Korallen, lebende Schildkröten, bestialisch mit Panzertape verklebt, Schlangenköpfe in Einweggläsern, Fleisch in ekelhaften Koffern, Gewürze in Schmuddeltüten, zwischen Unterhosen versteckt, zu schmuggeln. Der Zoll kontrolliert übrigens auch die Crews der Fluggesellschaften. Ich wusste nicht, dass Hunde sogar Geld riechen können. Interessant ist hier übrigens, dass die meisten Menschen an einen verbotenen Bargeldtransport glauben. Man darf Unmengen Bargeld transportieren. Man muss diese Unmengen nur beim Zoll anmelden. Der Spiegel könnte auch über die Dark Pools der großen Banken schreiben. Dafür braucht man Fachjournalisten. Richard Exner, sein Name dürfte heute nur noch irgendwie (gar nicht) bekannt vorkommen, war ein deutschamerikanischer Literaturwissenschaftler, Lyriker und Übersetzer. In seinem Buch "Zunge als Lohn" schreibt er über die Gebrechlichkeit der Schöpfung. Er wollte, dass man das Lesen lernt. Er wollte nicht, dass Hobbylehrer Grammatikfehler suchen: "Ich öffne mein / Gesicht und mach / dir Platz / dich darin / einzurichten". Er starb im Jahr 2008 in Berlin. Die grüne Bundestags-Vizepräsidentin, Frau Katrin Göring-Eckardt, eine Frau, die die Bienen retten möchte, muss Richard Exner im Schlaf rezitieren können. Sie muss jene Zerbrechlichkeit der Schöpfung, jenseits gespielter Tränen, jenseits gespielter Religiosität verkörpern. Sie muss ein Sittengemälde sein. Nicht mehr und nicht weniger. Ihre Machtposition ist bereits der Riss im Gemälde. Beobachten wir also geduldig, wie die Grünen diesen Riss restaurieren werden. Pessimisten machen aus dem Internet einen Staatsapparat. Auffallend junge Menschen in Deutschland rufen ungewöhnlich laut nach staatlicher Regulierung: "Der Staat muss unbedingt…." Sie werden die staatliche Regulierung noch stärker bekommen. Ich bin gespannt, wer DER eskalierte Massemensch sein wird. Pessimismus fördert im Grunde auch Rassismus, weil das Unbekannte, das heute immer unbekannter wird, gefürchtet wird. Ergo dürfen die Optimisten niemals sterben!