Etikette

Man muss vielleicht nicht alles mit dem Wort Pietät verbinden. Ich beschreibe es mal anders. Die Beerdigung eines mir in extrem angenehmer Erinnerung gebliebenen Punk Rockers hatte mehr Etikette als die Gangart der momentanen deutschen Fachwelt um Corona. Das Trauergespräch verlief absolut zivilisiert, kultiviert und harmonisch ab. Meine Auftraggeber hinterließen keinen narzisstischen oder psychiotischen Eindruck. Der Sarg wurde professionell mit Botschaften und Fantasy-Motiven lackiert. Die Gäste trugen zur Zeremonie Zylinder, die Hunde rannten nicht über den Friedhof. Sie standen brav vor der Trauerhalle und sie trugen stilvolle Paisleytücher, für die Johnny Depp viel Geld ausgibt, wenn er bei Mr. Freedom in Californien shoppen geht. Die Rockband war laut aber extrem synchron. Ein Freund hielt die Trauerrede und seine Stachelfrisur saß 1A. Seine Formulierungen hatten einen poetischen Charakter. Die echten Worte waren mit Liebe und Herzenswärme gefüllt. Die Feuerkünstlerin setzte die Bäume, wie dem Verwalter versprochen, nicht in Brand. Auch ihr Einsatz kam professionell - genau als der Sarg ins Grab gesenkt wurde. Freakig ausgeflippt finde ich die öffentlich Beteiligten um Corona. Der Chefvirologe der städtischen, also nicht privaten Charité erhält Anfragen von der BILD. Die sind tendenziös. Der Chefvirologe, im Auftrag der städtischen Klinik, veröffentlicht die Mail, schwärzt aber nicht den Namen und die Telefonnummer des Journalisten. Er löscht die Mail. Zu spät. Der Tagesspiegel hat sein Posting gescannt und veröffentlicht. Der Journalist ist nun allseits bekannt. Jeder macht jeden zur Zielscheibe. Die Rechtsabteilung der Charité könnte an die gesetzlich seit Jahren bindenden Datenschutzgesetze erinnern…muss aber nicht. Der Bürgermeister - Vorstand der städtischen Charité - könnte den Virologen aus dem gesamten Feuerwerk nehmen…muss aber nicht. Ein SPD Politiker erhält eine Morddrohung. Das twittert er. Der Virologe der städtischen Charité bestätigt - ebenfalls auf Twitter - eine identische Mordrohung erhalten zu haben. Ein Schauspieler schaltet sich auf Instagram zu, bestätigt ein gewisses Know-how in Sachen Morddrohungen. Er empfiehlt beiden eine mir unbekannte Chill-Pill, setzt auf die männliche Strategie und rät beiden, dass sie nicht heulen sollen. Hier kommt die renommierte Frankfurter Allgemeine Zeitung, markant FAZ, ins Feld und schreibt einen ganzen Artikel darüber, dass sich dieser Schauspieler auf unempathisch unangebrachte Art und Weise über die Morddrohungen quasi lustig machte. Daraufhin löscht jener Schauspieler besagte Botschaft und schreibt einen langen Kommentar für Deutschland. Er beteuert, dass er diese seine Nachricht gänzlich unbedacht gepostet hatte, dass er einen Fehler gemacht hat, den er eingesteht, weil er seinen Kindern auch immer wieder sagte, dass man sich für gemachte Fehler entschuldigen müsse. Ich erinnere die Punk Rocker. Sie waren konzentrierter, sie waren nicht fanatisch, totalitaristisch. Sie posaunten nicht. Sie musizierten. Sie haben stets auf die Meinung einer Masse geschissen, die sie diffamieren wollte, die sie in Gänze abschaffen wollte, die sie nicht auf der Straße sehen wollte. Die Mordrohungen fanden nur die beiden Opfer furchtbar. Alle Beteiligten, auch die stummen Verantwortlichen, suhlten sich in ihrem Schlamm. Sie verniedlichten sogar die Mordrohungen durch ihr narzisstisch unverantwortlich öffentliches Geschnattere. Sie können nicht einmal mehr Tat und Tätern einen Fokus gönnen. Denn den haben sie auf sich gezogen. Das sich solche Leute nicht in Grund und Boden schämen, gehen, abtreten, Ämter und Bühnen räumen, um gesunde und vitale Menschen arbeiten zu lassen.